Eine Wagenladung voller dummer Entscheidungen
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06.06.2021
Früh am Morgen reißt es mich aus dem Schlaf. Ich blicke auf die Uhr. Wenn ich jetzt starte, dann komme ich am späten Nachmittag in Oberlochmühle, dem finalen Ziel vom ersten Reiseabschnitt an. Drei Tage Pause. Der Gedanke lässt mich frohlocken. Ich habe derzeit einfach keine Lust mehr auf Laufen. Die Muskulatur ist einfach müde und muss sich mal entspannen. So verlasse ich die Werkstatt und werfe den Schlüssel, wie abgesprochen, in den Briefkasten.
Ich kann mir heute aussuchen, auf welcher Flussseite ich laufen möchte. Es gibt für beide Seiten eine Beschilderung. Ich entscheide mich für die, auf der ich bereits bin. Über eine asphaltierte Straße, wo ein Auto problemlos fahren kann, geht es weiter an der Flöha entlang. Wenn das so weiter geht. Das wird so toll! Heute Abend dann im Wirtshaus sitzen und den Moment des Triumphes genießen. Da taucht eine Steigung mit Kehre auf. Alles egal! Das bisschen bergauf, heute. Das wird jetzt ein Kinderspiel. Anstrengend zwar, aber ein Kinderspiel. In der zweiten Kehre halte ich etwas länger ein. Ist das noch normal? Oder habe ich mich verrannt? Ich blicke auf mein Telefon. Die Karte zeigt an, dass ich richtig bin. Rennradfahrer erscheinen auf der Bildfläche und folgen der Steigung weiter. Mache ich es ihnen gleich? Ich schaue mich noch einmal um. Da entdecke ich Beschilderungen für den Talradweg an einem Baum angeschlagen.
Ich laufe langsam diesem Pfad nach. Dann ändert sich der Belag. Asphalt wechselt zu Schotter. Schotter zu Waldweg. Schilder für den Talradweg erscheinen. Ist das wirklich noch der Pfad? Ich schaue wieder auf mein Telefon. Ziehe den Wagen kurz darauf weiter. Kraft kostet es mich schon gewaltig. Große Wurzeln sind hier über den Weg gewachsen. Das kann doch nicht mehr richtig sein? Drehe ich um? Soll ich? Da tauchen aus der entgegenkommenden Richtung Radfahrer auf. Sie sitzen auf Mountainbikes und haben Helme auf. Eigentlich müsste an dieser Stelle alles an Alarmglocken in meinem Kopf anspringen, was vorhanden ist. Tut es aber nicht. Ich erkundige mich nach dem Weg. Ich bin tatsächlich auf dem Talradweg. Ob ich mit meinem Wagen durch diese Passage komme? Das müsste möglich sein. Etwas später kommt aber noch eine Stelle, die ist taff. Taff? Ja, das müsste aber machbar sein. Wie gesagt, ich müsste an dieser Stelle eine mit der Plattschaufel auf den Latz bekommen. Der Kopf aber bleibt naiv.
Ich ziehe und zerre. Ducke mich unter Ästen hindurch, die in den Weg hinein hängen. Das ist der Talradweg. Radweg. Denke daran. Heute Abend sitze ich im Wirtshaus und mir können alle körperlichen Strapazen egal sein. Alles, was dann zählt, ist, dass ich es geschafft habe. Dann taucht eine Steigung auf. Ich glaube zu spinnen. Das ist der Bereich, der als taff bezeichnet wurde. Ich habe noch immer die Möglichkeit umzudrehen. Noch ist der Weg eben. Es sind Wurzeln und Äste im Weg. Das ist aber nichts im Vergleich zu dem, was vor mir ist.
Rückwärtsgehend, strauchelnd kämpfe ich um jeden Millimeter. Der Schweiß ergießt sich über mein Gesicht. Die Muskeln brennen. Die Atmung ist stoßweise. Die Steine rutschen unter meinen Sohlen weg. Halte den Wagen fest. Wenn die hier abgeht, dann ist diese Reise womöglich beendet. Ich blicke ins Tal hinunter. Zwanzig Meter mag es in die Tiefe gehen. Ich nehme einen Schluck Wasser.
Einem Brüllaffen gleich, schreie ich meine Anstrengung hinaus in den Wald. Nur noch zwei Meter. Dann bin ich oben. Die Steine rutschen. Ich kämpfe, ich beiße. Dann ist es geschafft. Ich bin oben. Was für ein Mist. Wie kann man so etwas als Radweg bezeichnen? Wenige Meter ist es wieder eben. Dann taucht ein ähnliches Gefälle talwärts auf. Die wollen mich verarschen! Wer baut so etwas?! Wer hat entschieden, dass das ein Radweg ist?
Ich muss den Wagen umdrehen. Wenn ich vorausgehe und abrutsche, überrollt mich mein Gepäck. Das will ich unbedingt vermeiden. Langsam, Zentimeter für Zentimeter drücke ich mein Gefährt über die Kante. Die Steine unter den Reifen knirschen und knarzen. Halt die Karre fest. Halt sie einfach nur fest. Nach hinten lehnen. Ich muss mich … OH, VERDAMMT! Ich bin mit den Füßen weggerutscht und sitze auf meinem Hosenboden. HALT DEN WAGEN FEST!
Die Nässe vom gestrigen Regen wird durch die Hose spürbar. Ich muss aufstehen. Ich muss den Wagen … langsam! Ich drücke die Zugdeichsel mit Kraft Richtung Boden. So bringe ich derart viel Gewicht auf die Stützfüße, dass die sich in den Boden bohren und der Wagen stehen bleibt. Dann mache ich zwei Schritte. Drücke die Deichsel an den Boden. Mache Schritte. Drücke. Schritte. Drücke. Schritte. Endlich unten. Was für ein Wahnsinn!

Und nun? Jetzt bin ich in diesem Talkessel. Der Weg zeigt an, dass ich über den dortigen Bahnübergang muss. Da komme ich aber nicht drüber. Der ist durch eine verschlossene Schranke versperrt. Seitlich dran vorbei? Kein Platz. Noch dazu kommt auf dem Stück im weiteren Verlauf eine Treppe. Da bekomme ich meinen Wagen niemals runter. Selbst Radfahrer haben dort richtig zu kämpfen. Das haben mir die Mountainbiker erzählt. Wo habe ich mich heute eigentlich reinmanövriert? Ich wollte heute in Oberlochmühle ankommen. Stattdessen hänge ich jetzt in diesem Loch fest. Ich folge ohne Wagen einem Weg mit größeren Kieselsteinen. Auch hier geht es steil bergauf. Würde ich hier mit dem Wagen hochkommen? Bestimmt. Frage ist nur, wie lange ich brauche und wie viel Kraft dafür nötig ist. Vor mir erstreckt sich ein Steinbruch. Würde ich auf anderer Seite rauskommen oder ist das hier die einzige Zufahrt? Ich weiß das nicht.
Zurück am Wagen mache ich erst einmal Pause. Ich muss etwas essen. Das Geräuscht vor Motorrädern ertönt und wird immer lauter. Crossmaschinen tauchen auf der Bildfläche auf und knattern die Wege der Talwände hinauf. Die sind vom Steinbruch her gekommen. Kann ich da vielleicht doch mit dem Wagen? Ich weiß das nicht! Ich möchte nicht in einer Sackgasse enden. Wobei ich schon in einer bin. Mir bleibt nur der geschotterte Weg, den die Crossmaschinen genommen haben, um hier herauszukommen.
Ich ziehe und zerre. Keine Chance. Zu steil. Ich bekomme den Wagen hier nicht hoch. Nicht komplett. Ich muss alles zerlegen und einzeln hinaufschleppen. Von meinem Etappenziel habe ich mich längst verabschiedet. Ich aste Kiste für Kiste den Berg hinauf. Immer wieder stütze ich mich auf den Knien ab und verschnaufe. Der Wasservorrat schwindet zusehends. Das ist doch alles nicht wahr!
Die zwei Autos, die kurz hintereinander auftauchen, bieten keine Hilfe. Zum ersten Mal wäre ich bereit gewesen, ein kleines bisschen zu schummeln. Zumindest einen Teil des Gepäcks mit Motorkraft den Berg hinauf schaffen. Nein. Ich bleibe auf mich allein gestellt. So kämpfe ich weiter. Schritt für Schritt. Umdrehen und die nächste Kiste geholt. Schritt für Schritt. Umdrehen und den Wagen holen. Umdrehen und Lottes Pausenbox holen. Mittlerweile bin ich über zwei Stunden dabei aus diesem Tal hinaus zu kommen. Dass ein paar wenige hundert Meter solch eine Qual werden würden, hatte ich nicht gedacht.
Dann endlich. Spät am Nachmittag bin ich oben. Über drei Stunden habe ich gebraucht, um das Tal zu verlassen. Und nun? Ich blicke auf meinen Tacho. Ich habe heute gerade einmal fünf Kilometer geschafft. Sechs Stunden bin ich im Ganzen aber schon unterwegs. Dieser Tag ist der Schlimmste, den ich bisher erleben durfte. Ich bin völlig enttäuscht. Was wäre gewesen, wenn ich wirklich umgedreht wäre? Wäre ich jetzt schon weiter? Vielleicht. Sicher? Ich weiß es nicht. Ich schleppe mich in den nächsten Ort.
Ich brauche Wasser. In Görsdorf wende ich mich an einen Herrn, der gerade bei sich im Garten arbeitet. Kurz meine Geschichte zusammengestammelt, sitze ich kurz darauf bei ihm auf der Terrasse im Schatten. Was für eine Wohltat. Ich bekomme ein eiskaltes Radler in die Hand gedrückt. Das wird ja immer besser. Zum Ende bekomme ich sogar noch einen kleinen Obolus für meine Kasse. Wer so verrückt ist, der muss unterstützt werden. – Danke!
In Wernsdorf ist dann aber Schluss. Ich bin fix und alle. Kann nicht mehr stehen. Nicht mehr wirklich laufen. Die Füße tun weh. Der Rücken. Eigentlich der ganze Körper. Ich sitze in einer Bushaltestelle und überlege, was ich machen möchte. Wo ich schlafen möchte. In der Ferne grollt es und dicke Wolken ziehen auf. Ein Dach wäre schön. Da erscheint ein Pärchen zu einem abendlichen Spaziergang. Kurz darauf schlage ich mein Nachtlager in ihrem Gartenhaus auf. Zumindest zum Ende des Tages hat mich mein Glück wieder eingeholt.
Start/Ziel: Rauenstein – Wernsdorf
Laufstrecke: 10,61 km
Höhenmeter: 179 m
Zeit: 2:47 h
D.-geschw.: 3,81 km/h
Schritte: 18.293
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