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Komme ich heute noch los?

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21.07.2019

Die Zeit rast. Es scheint beinahe unfassbar, wie schnell. Seit den frühen Morgenstunden bin ich im Haus unterwegs. Laufe hier hin, krame herum. Laufe dorthin und mache Ähnliches. Die Sachen, die ich für meine Reise benötige, habe ich längst gepackt. Es muss nur noch im Wagen verstaut werden. Habe ich das Problem mit dem Gepäck für diese Reise recht früh fertig bekommen, sind es jetzt andere Dinge, die mich aufhalten. Ich wollte noch die Wohnung feudeln. Mein Bett neu beziehen. Muss noch letzte Kleinigkeiten am Wagen anbringen. Und, und, und …

Lotte steht hinter mir und winselt. Ja, doch. Ich drehe eine schnelle Runde mit ihr. Das Nötigste muss raus. Ich möchte heute mit ihr bei Zeiten starten, dann bleibt genug Freiraum für ihren Ruf der Natur. Nur bis dahin kann ich von ihr schlecht verlangen, dass sie die Beine zusammenkneift. Ich habe mit der Runde nun gute zwei drei Stunden gewonnen.

Schnell den Tacho eingestellt, dass ich dieses Mal eine bessere Streckenstatistik habe. Die Lenkertasche mit der Kamera angebracht. Die Trinkflaschen in die Halterungen. Dann die ersten Kisten in die Staubox. Der Proviant. Die Batterie. Die Gummistiefel. Schnell füllt sich der Anhänger. Und noch immer fehlt etwas Entscheidendes. Das Zelt. Die Tasche mit dem Schlafsack. Es passt einfach nicht mehr hinein. Ich habe es zwar im Vorwege geahnt, dass es so kommen würde, habe jedoch gehofft, dass es anders laufen könnte. Tut es nicht. Also das Zelt und die Tasche mit den Schlafutensilien oben draufgebaut. Schnell zum Mehrzweckmarkt und Zurrgurte gekauft. Etwas Zeit ist noch, bevor er schließt. Es ist fast Mittag und ich bin noch immer nicht auf der Straße. Okay, mit dem Auto, ja. Ich meine aber zu Fuß. Meinem ersten Etappenziel entgegen. Davon scheine ich heute immer weiter abzurücken. Es ist wie verhext. Neben den Taschen bastel ich nun Lottes Pausenbox auf dem Anhänger auf. Mittlerweile bin ich dabei meine weiteren Vorhaben im Haus zu streichen. Fege zumindest einmal durch, denke ich. Alles feudeln schaffe ich nicht mehr. Die Küche muss aber. Die sieht katastrophal aus.

Bild 1 & 2: Die Modifikationen, die der Handwagen erhalten hat – Bild 3 & 4: Durch die Obstplantagen nahe der eigenen Haustür

Also der Schrubber geschwungen. Davor den Besen. Ich blicke auf die Uhr. Bald ist Kaffeezeit. Der Hund meldet sich. Er möchte wieder raus. Gleich sage ich bei jedem weiteren Winseln. Ich möchte unbedingt auf die Straße. Gib mir noch zehn Minuten, Lotte. Das Transportgestell an den Anhänger angebaut. – Ich habe mir extra Schulterbügel angefertigt, dass ich unterwegs mal die Hände frei haben könne. Darauf freue ich mich besonders. Einfach mal die Arme baumeln lassen und das Gewicht des Anhängers auf den Schultern. Endlich ist auch das letzte Bisschen in abgespeckter Form abgearbeitet. Es ist alles bereit. Lotte freut sich wie Bolle. Also werfe ich mir das Gestell über die Schultern und setze mich in Bewegung.

Himmel, Herr Gott! Was ist das denn?! Ich bekomme mit jedem Schritt einen kräftigen Stoß auf die Wirbelsäule. Im Bruchteil einer Sekunde zieht jemand an meinen Schultern. Stoß – Zug – Stoß – Zug. Bei jedem Schritt. Es war so schön zurecht gedacht! Die Bügel federn zu stark. Als der Anhänger leer war, hat sich das so schön bewegen lassen. Als er leer war. So eine Grütze! Lotte steht neben mir und winselt. Was mache ich jetzt? Der Hund muss bewegt werden. Ich nutze die Zeit und lasse den Kopf qualmen. Ich will … WILL … heute unbedingt auf die Straße! Es sind noch gute fünf Stunden, bis es dunkel wird. Ich kann es noch auf fünfzehn Kilometer bringen. Dafür muss ich aber loskommen. Allerdings nicht so. Mit dem Stoß-/Zugverhalten des Anhängers bin ich nach wenigen Kilometern ein Krüppel. Also alles wieder in seine Urform zurück versetzen. Aber erst einmal fahre ich zur letzten Vorstandssitzung des Schützenvereins. Da habe ich mich eigentlich abgemeldet, weil ich ja auf die Straße möchte.

Der Frust in mir sagt mir aber, dass ich da jetzt doch hingehen sollte, damit ich den Kopf ein letztes Mal frei bekomme. Vielleicht fällt mir ja doch noch etwas anderes ein, was man auf die Schnelle improvisieren kann. Drei Stunden später sitze ich wieder zu Hause und bringe den Anhänger wieder in seine Urform. Etwas Gepäck umgepackt und dann entschließe ich mich doch noch aufzubrechen. Ein paar Kilometer. Einfach nur dieses Gefühl bekommen, dass ich unterwegs bin. Nicht mehr. Nur das Gefühl. Mehr möchte ich heute nicht mehr haben.

Der Kies des Plantagenwegs knirscht unter den Sohlen der neu angeschafften Stiefel. Die letzten Vögel verabschieden den scheidenden Tag. Die Sonne färbt den Himmel allmählich in ein brennendes Orange. Lottes Hundemarke klimpert einige Meter vor mir. Ihre Nase tief ins satte Grün gesteckt und schnüffelt sich von Baum zu Baum.

Nach drei Kilometern habe ich schließlich die asphaltierte Moorstraße erreicht. Da entdeckt Lotte einen Hasen. Hinterher rufen hat keinen Zweck. Der Hund hat den Tunnelblick. Nun heißt es für mich warten. Die Zeit schreitet voran und ich spiele mit dem Gedanken, mein Zelt hier an Ort und Stelle aufzuschlagen. Da kommt der Hund völlig verdreckt zurück. Eigentlich ist sie ein laufender Schlammklumpen. Nun muss ein offenes Gewässer her, dass sie da noch einmal hineingeht. Da hält ein Auto neben mir. Ein Herr von der Firma, die in den letzten Wochen und Monaten die neuen Strommasten bei uns aufbauen. Was ich mit dem Anhänger denn hier zu Fuß mache. Einige Erklärungen und staunende Blicke später trennen sich unsere Wege dann wieder.

Knappe zwei Kilometer später habe ich mich dann dazu entschlossen, das Zelt auf einer Futterwiese aufzuschlagen. Mit dem letzten fahlen Licht der Sonne krieche ich in meinen Schlafsack. Es ist heute vieles anders gelaufen als geplant. Aber eines habe ich geschafft: Ich bin auf der Straße. Endlich!

Laufstrecke: 7,50 km
Höhenmeter: 5 m
Zeit: 1:26 h
D.-geschw.: 5,18 km/h

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