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Am Este- und Osteradweg

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30.05.2020

Wie spät ist es eigentlich? Ich wälze mich im Bett hin und her. Blicke auf mein Telefon. Ich habe nur noch drei Stunden zum Schlafen. Der Kopf spielt völlig verrückt. Es ist doch nichts los! Nur eine Drei-Tage-Tour! Nichts Weltbewegendes! Komm runter und schlaf endlich! Nichts zu machen. Um sechs in der Früh sitze ich wieder aufrecht im Bett. Ja, dann steh halt auf. Nur noch die letzten Kleinigkeiten verstauen, das Fahrrad beladen und dann los. Lotte wuselt die ganze Zeit mit durchs Haus. Sie weiß ganz genau, was hier los ist. Was sie nicht weiß, dass sie nicht dabei sein wird. Zu weit sind die Tagesetappen. Eine Morgenrunde bekommt sie aber von mir. Dann noch schnell meinem Vater bescheid gegeben, der meine Abmeldung aber nicht mitbekommt. Er ist dort, wo ich die ganze Nacht über sein wollte. Im Land der Träume. So schließe ich die Türen hinter mir und lasse einen wehmütig blickenden Hund auf dem Flur zurück.

Der Morgen ist herrlich. Ein blauer, wolkenloser Himmel. Eine strahlende Sonne. Ich radel den Kirchenstieg hinauf. Vorbei am Leuchtturm und erklimme wenig später die Deichkrone. Dort halte einen Moment inne. Blicke auf die Elbe. Die Containerschiffe die Waren von und nach Hamburg transportieren. Die Obstbäume im Außendeichbereich. Endlich wieder auf der Straße. Ein schönes Gefühl. Zu lange habe ich warten müssen. Aber seit das Leben in der Gesellschaft langsam wieder Fahrt aufnimmt, war der Entschluss schnell getroffen. Pfingsten geht es los. Wenigstens ein paar Tage raus. Ich habe mir den Este- und den Osteradweg dafür ausgesucht. Wieder einmal etwas, was ich erst vor kurzem erfahren habe. Also, dass es diese Wege gibt. Ich habe auf Wikipedia die Liste der Radwege in Deutschland durchgestöbert und bin dabei über eben diese Wege gestolpert. Noch besser: Die Quellen liegen nur knapp zehn Kilometer auseinander. Besser geht es dann doch nicht. Einfach den einen Radweg mit dem anderen verbinden und heraus kommt eine Runde von knapp dreihundert Kilometern. Eine Strecke, die man in drei Tagen recht locker abstrampeln kann.

Bild 1: Ein Blick über die Heimat – Bild 2: Am Estesperrwerk – Bild 3: Ein Blick auf die Este

Ich fahre im Außendeich gemütlich Richtung Cranz zur Estemündung. Viele Menschen sind so früh am Morgen noch nicht unterwegs. Man kann sie sogar in Kategorien unterteilen. Die Hundehalter, die Sportlichen und die Reisenden. Wobei ich gewissermaßen der einzige Reisende bin. Von der Mündung aus geht es flussaufwärts gen Estebrügge. Anfänglich versuche ich noch auf dem Estedeich zu fahren. Er ist zwar den Fußgängern vorbehalten, aber da hier gerade so gar nichts los ist, kann ich hier radeln. Angenehm ist es nicht wirklich. Zu uneben sind die Pflasterungen. Zu sehr werde ich durchgeschüttelt, dass an ein entspanntes Fahren nicht zu denken ist. Also doch unten auf der Straße, dem dortigen Fahrradweg.

In Estebrügge passiert dann etwas, wofür ich mich eigentlich schämen müsste. Dass dort eine Brücke ist, ist mir bekannt. Dass es eine Drehbrücke ist, war bis hier her nicht bewusst. Vielleicht habe ich es mal gehört, aber just in dem Moment, wo ich am heutigen Tag mit dem Brückenwärter ins Gespräch komme, nicht. Als ich dann gestehe, dass ich aus Steinkirchen bin, bricht eine mehr gespielte Entrüstung meines Gegenübers über mich herein. Wie kann ich DAS nicht wissen? Ja, ich schäme mich. Ganz doll. Ich solle mir keinen Kopf machen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gibt es wohl auch etwas in Steinkirchen, was er nicht wisse. Man lacht, nickt, plaudert noch etwas und trennt sich schließlich wieder.

Bild 1: Auf der Schwenkbrücke von Estebrügge – Bild 2 & 3: Die Este links, die Este rechts davon

Üer Moorende gelange ich schließlich nach Buxtehude. Dort verhagelt mir eine Baustelle und eine durchwachsende Beschilderung etwas den weiteren Weg. Doch nach zwei Mal links, einmal rechts, hinfallen und einem Rückwärtssalto bin ich wieder auf der richtigen Trasse. Wind ist aufgekommen. Links von mir passiere ich die Rallyecross-Anlage Este-Ring und gelange in den kleinen Ort Pippensen. Hier war ich schon einmal zu Fuß durchgekommen. Ich biege Richtung Heimbruch ab und rausche mit einem breiten Grinsen ins Estetal hinab. Also, die zehn Höhenmeter. Muss aber postwendend kräftig in die Bremse greifen, da ich an meinem Abzweig vorbei gerauscht bin. Nichts mit einem Blick auf den verjüngten Flusslauf. Ich fahre nun schmale Wirtschaftswege parallel zur Hauptstraße und gelange nach Daensen. Von dort aus halb durch den Wald nach Moisburg. Die Wege sind herrlich. Von der Este sehe ich hier aber nichts mehr. In Moisburg selber verpasse ich wieder den Esteradweg. Zwar finde ich Radwegweiser, das ›E‹- Symbol für den Radweg vermisse ich jedoch.

In dem kleinen Örtchen Emmen verlasse ich die Hauptstraße und lande auf dem Este-Wanderweg. Jetzt sehe ich auch mal etwas vom Fluss. Schmale Holzbrücken führen hier über den Flusslauf. Eine Stelle hat es mir hier so angetan, dass ich meine erste Pause mache. Frühstück, wo andere zu dieser Zeit Mittag essen. Vierzig Kilometer stecken schon in meinen Beinen. Eine Bank direkt neben einer der Brücken unweit des Flussufers, der mit einer absoluten Ruhe an mir vorbeifließt. Ein Brötchen geschmiert, eine Handwurst gepackt und ein Kakao neben mich gestellt. Besser geht es nicht! Vöglein singen mir ihre Lieder. Dazu das sanfte Rauschen der Baumwipfel. Kanufahrer kommen vorbei gepaddelt. Wandersleute und andere Radfahrer. Ich sitze da mit dicken Hamsterbacken und lasse mich durch nichts stören. Die klare Luft in der Lunge, der Duft von Nadelbäumen in der Nase. Fast eine volle Stunde sitze ich auf diese Bank und beobachte die Este. Beäuge die Paddler, die vorbei ziehen.

Bild 1 – 3: Die Este links der Brücke des Estewanderwegs und rechts

In Appelbeck am See gelange ich dann wieder auf den richtig, echten Esteradweg. Nur um ihn in Hollenstedt wieder zu verlieren. So richtig verlieren. Zuvor komme ich aber noch mit einer Joggerin ins Gespräch, die mit ihrem Sprössling eine Runde am Joggen ist. Wobei der Bub mit einem Drahtesel neben seiner Mutter her strampelt. Irgendwann stehe ich jedenfalls auf dem Lärmschutzwall zur A1 und frage mich ungläubig, wie ich hier hergekommen bin. Mit Unmut drehe ich um und folge nun der Hauptstraße in Richtung Dohren. Biege noch einmal links ab und gelange wieder auf den Estewanderweg. Treffe auf eine T-Kreuzung, die in zwei Sackgassen endet. Habe ich zumindest gedacht, denn als ich den Rechtszweig ganz bis zum Ende folge, erkenne ich einen winzigen Trampelpfad. Also da mit dem Fahrrad hindurch gemogelt.

In Dohren selbst bekomme ich erst wieder die richtige Richtung, die mich nach Bötersheim bringt. Dort quere ich die Este ein letztes Mal. Denn ab hier komme ich Tostedt zu nahe. Dort beginnt der Osteradweg und bis nach Wintermoor, wo der Esteradweg beginnt, müsste ich die Strecke gewissermaßen doppelt fahren, wenn ich es so beibehalte. Darauf habe ich so gar keine Lust und verabschiede mich über Kakensdorf, Sprötze und Seppensen weiter nach Lüllau, Schierhorn und Wesel in die Lüneburger Heide. Hier werden die Wege sandiger, was etwas mehr Kraft beansprucht. Zwei Damen, die mir begegnen fragen, wo ich denn hinmöchte. Bis Sittensen ist meine Antwort. Fünfundsiebzig Kilometer hätte ich jetzt und fünfzig würden noch vor mir liegen. Was mich etwas beunruhigt: Mir läuft die Zeit davon. Ich habe in Sittensen eine Herberge und sehe meine Ankunftszeit immer weiter nach hinten wandern.

Bild 1 – 3: Das satte Grün der Lüneburger Heide

In Wesel selbst beginne ich meine Route allmählich über den Haufen zu werfen. Die Zeit. Ich frage bei Anwohnern nach, wie der günstigste Weg nach Wintermoor wäre. Über Undedloh oder doch über Eck durch Welle? Bräuchte ich beides nicht. Wesel hätte einen eigenen Weg nach Wintermoor. Gut befestigt. Super zum Radeln. Dann also diesen Pfad eingeschlagen. Vorbei an sporadisch stehenden Bäumen und Büschen. Über knisternde Schotterstraßen. Schnell habe ich den Bahnhof Wintermoor gefunden, wo der Esteradweg startet. Bis Tostedt sehe ich rein gar nichts vom Fluss. Ich hätte gedacht, dass man mehr vom Gewässer hätte. Sicher habe ich mich ein zwei Mal blöd angestellt, was die Routenfindung betrifft. Jedoch hatte ich mir mehr davon erhofft. Wobei, was will man von einem Radweg erwarten, der ›nur‹ fünfundsechzig Kilometer lang ist? Unterm Strich war es okay. Landschaftlich einige schöne Fleckchen gesehen. Aber ein Highlight war es dann doch nicht.

Von Tostedt nach Sittensen ergeht es auf dem Osteradweg einem ähnlich. Vom Fluss sieht man nichts. Die Wege vorbei an Feld und Wald sind aber durchaus schön anzusehen. Hier ein riesiger Reiterhof mit eigener Rennbahn, dort weitläufige Äcker und Weiden. Letztendlich erreiche ich Sittensen doch noch rechtzeitig und nicht all zu spät. Rolf und Heike, warten schon und haben alles für eine abendliche Schlemmerei vorbereitet. So endet meine erste Etappe bei Speis, Trank und angeregten Unterhaltungen. Der Esteradweg ist abgestrampelt und vom Osteradweg werde ich die nächsten zwei Tage den Rest erkunden. Nun muss ich noch den Krampf im Oberschenkel abschütteln und werde mich dann in die Waagerechte begeben.

Fahrstrecke: 128,00 km
Höhenmeter: 537 m
Zeit: 8:48 h
D.-geschw.: 14,54 km/h

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