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»Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt!«

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27.03.2017

Jetzt ist es amtlich. Wir schreiben den 27.03.2017. Die Räder rollen, die Kette surrt und die Pedale rotieren gleichmäßig. Das Klimpern der Hundemarken hallt an mein Ohr, das Klappern des selbst erweiterten Hundeanhängers ebenso. Die Sonne scheint und ein dezentes Lüftchen säuselt mir um die Nase. Ein herrlicher Tag. Ruhigen Gemütes lasse ich Meter um Meter hinter mir. Wobei … »Ruhig«?

In mir ist die Hölle los!

Ich kann es noch nicht ganz fassen. Ich sitze im Sattel und habe gerade meine Rundfahrt durch Deutschland begonnen. Meine Familie, Freunde und Kollegen lasse ich hinter mir. Mein Besitz ist auf fünf Taschen zusammengeschrumpft. Es ist der helle Wahnsinn!

Wenn ich die Situation in mir beschreiben müsste, wäre es die Szene aus »Tangled«, zu deutsch »Rapunzel – Neu Verföhnt«. Der Moment, wo dieses zierliche Mädchen mit den ellenlangen Haaren zum ersten Mal ihren Turm verlässt. Die inneren Zerwürfnisse. Zum einen: Was habe ich nur getan. Ich bin ein schlechter Mensch. Mutter wird so sauer sein.
Bis hinzu: Wuhuuuuu! Ich komme nie wieder zurück! Bester Tag ever!

Aber immer ruhig mit den jungen Pferden. Es ist der erste Tag. Ein guter Tag. Mit Sonne. Die Kacke wartet bestimmt schon hinter irgendeiner Ecke und reibt sich mit einem schelmischen Grinsen die Hände. Die Momente, die ich verfluchen werde, dass ich überhaupt diesen Schritt gewagt habe …

Nach zwei Stunden erreiche ich den Fähranleger in Finkenwerder. Ungläubig schaue ich auf die Uhr. Zwei Stunden? So lange habe ich gebraucht? Krass. Naja, das Gepäck, dann der Hund, der auch nicht wie Ochse rennen kann. Aber dennoch krass. Schließlich kommt die Fähre und ich setze zu den Landungsbrücken über.

Ich hasse Hamburg!

Zumindest auf dem Fahrrad. Wenn es für unachtsame Passanten Punkte und Prämien geben würde. Ich wäre innerhalb weniger Minuten ein reicher Mensch. Lotte habe ich vorsorglich in den Anhänger gepackt. Das fehlt mir noch, dass die da auch noch zwischen rumrennt. Dafür bekomme ich den »Niedlichkeits-Bonus«. Naja, der Hund bekommt ihn. Ein Hund im Anhänger scheint auch in der Großstadt eine Rarität zu sein.

Schließlich erzürne ich mich mit meinem Navi. Ewig ist das Teil am Piepen und wirft mit Pfeilen um sich, wo ich denn nun hinfahren soll. Dämliches Dingen. Nach einer mittelschweren Wutattacke arrangieren »Wir« uns dann doch und ich bekomme Hamburg von einer völlig neuen Seite präsentiert. Inklusive Sackgasse. Dämliches Navi!

Schließlich gelange ich zum Elberadfahrweg. Hier habe ich eine erste angenehme Begegnung mit einem älteren Ehepaar, die ebenfalls eine Radtour machen. Unfassbar! Die auch? Ich halt’s nicht aus! Wohin? Habe ich nicht gefragt. Aber mein Ziel fanden sie interessant. Schließlich trennen wir uns und das Paar tritt kräftig in die Pedale, wovon ich nur träumen kann. Gepäck sei Dank.

Endlich geht es los!

Die Kilometeranzeige auf dem Tacho steigt unterdessen immer weiter an. Bei Kilometer vierzig passiere ich in Allermöhe einen Gasthof. Zuerst am Überlegen. Hältst du an? Aber da die Beine sich allmählich melden, entscheide ich mich zu einer Rast. »Zum Eichbaum« prangt in großen Lettern an der Fassade. Der Biergarten ist fast leer. Zwei Männer im Anzug und ein weiteres Pärchen, welches weiter abseits sitzt, war dort. Sonst niemand.

Ein dunkelhäutiger Mann kommt aus der Küche und ruft sofort »Nur HSV! Nur HSV!« Worauf der Kellner rief, er solle sich man lieber weiter die Tabelle mit seinem Verein im Keller ansehen. Der Laden gefällt mir. Die ganze Belegschaft fußballverrückt. Wie ich in meinem Trikot so hoch in den Norden komme, fragt er als Nächstes. Als ich sage, dass ich ebenfalls aus dem Norden bin, bekommt er ein breites Grinsen. Es stellt sich heraus, dass wir für den gleichen Verein brennen.

Wobei ich in diesem Fall keine »Werbung« für den Verein machen will. Das Gelb ist eine tolle Signalfarbe und warum neue Klamotten zulegen, wenn eh der halbe Kleiderschrank schwarzgelb ist?

Wir kommen ins Gespräch, während ich mir einen kräftigen Schluck von meinem Bier genehmige. Dieses Gefühl, wenn es kalt den Rachen herunter läuft. In diesem Moment durch nichts zu ersetzen. Von meinem Vorhaben ist der Mann, sein Name ist Anton, hellauf begeistert. Als er dann auch noch die gelben Taschen sieht, ist es vorbei mit ihm. Obwohl die nichts mit dem Verein zu tun haben. Sie sind nur gelb. Aber das ist ihm egal. Als es ans Bezahlen geht, winkt er dankend ab. Mein Vorhaben gepaart mit der Kleidungswahl gefällt ihm derart, dass ich mich als Gast sehen soll. Ein riesen Dankeschön nochmal dafür!

Das angepeilte Ziel Artlenburg verpasse ich heute. Nach vierundfünfzig Kilometern melden sich die Beine, dass nichts mehr geht. Auf der Grünfläche eines Bauernhofes darf ich mein Zelt aufschlagen. Auch dafür nochmal ein herzliches Danke. Die ersten Pellkartoffeln mit dem Campingkocher schmecken schon ganz gut, aber al dente. Nächstes Mal kleinere Kartoffeln mitnehmen. Dann wird das besser.

Die Nacht ist recht ruhig. Zwar bekomme ich durch das ungewohnte Liegen auf der Luftmatratze wenig Tiefschlaf und der Hund schlägt einige Male an, was einen auch aufschrecken lässt. Doch letztlich will ich mich über die erste Nacht nicht beschweren. Zumal Frost herrschte und ich davon im Schlafsack nichts mitbekomme.

Wenn das alles so sauber läuft, bin ich gespannt, was die nächsten Tage so bringen …

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