Wie sagt man bei euch? »Gut Schlauch« oder »Gut Wehr«?
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01.04.2017
Diese Frage eröffnet mir den schönsten, lustigsten und verrücktesten Abend meiner bisherigen Reise. Aber dazu später mehr …
Gegen Mittag hat das Warten ein Ende. Mein neues Hinterrad trifft ein. Schnell alles montiert, die restlichen Sachen zusammen geräumt und sich von meiner Gastgeberin und ihrer Mutter verabschiedet. Gegen drei Uhr nachmittags kommt mein Gespann endlich wieder ins Rollen. Mein Ziel ist die Havelfähre in Ketzin. Ziemlich ambitioniert. Da sie nur bis zwanzig Uhr fährt. Fast siebzig Kilometer in fünf Stunden. Machbar, durchaus. Aber mit Gepäck, mit Hund, der hin und wieder ne Verschnaufpause benötigt. Oder aber im Anhänger mitfährt, was zusätzliches Gewicht für mich ist, das ich ziehen muss. Kurz: Eine echte Herausforderung.
Zumal ich auch wieder über einige Holperpisten geschickt werde. Schnellfahren ist da nicht. Auch mache ich mir Gedanken über die Reifen. Sicher ist der Hintere gerade neu. Aber bei so einer Buckelpiste. Lieber langsam fahren. Langsam fahren bedeutet Zeitverlust. Und als ob das alles noch nicht genug ist, führt mein Weg auch noch einige Zeit an der Bundesstraße einhundertachtundachtzig, sowie der Fünf entlang. Radwege gibt es an den Stellen nicht. Also mit den Autos und Lastkraftwagen die Fahrbahn geteilt. Steigungen und Gefälle kommen jetzt auch noch hinzu.
Immer später zeigt das Navi meine Ankunftszeit für Ketzin an. Gegen sieben Uhr abends verabschiede ich mich schließlich von diesem Vorhaben, die Fähre noch heute zu erreichen. Es sind noch immer zwanzig Kilometer. Die Beine brennen, die Zunge hängt auf halb acht. Da kommt mir Gedanke eine nette Wirtschaft zu finden weitaus interessanter vor. Etwas gutes zum Essen. Ein Bier oder was auch immer. Hauptsache flüssig. Doch wo ich auch vorfahre. Entweder ist der Laden geschlossen, nur noch für private Feiern zu mieten oder aus irgendwelchen anderen Gründen nicht geöffnet.
Es ist Samstag! Es muss doch eine Wirtschaft aufhaben? – Nicht auf meiner Route.
Auch nicht in Retzow.

Bild 4: Das Feuerwehr-Ei aus Retzow
Hinter einer Kurve treffe ich dann auf eine bunt gemischte Gruppe aus Jung und Alt. Herren und Damen. Es ist die Retzower Feuerwehr, die ihren Frühjahrsputz am Gerätehaus bei Bratwurst und Bier ausklingen lässt. Aus Neugier stelle ich eben die Fragen aus der Beitragsüberschrift. Man ruft hier »Gut Schlauch«. Also, wie bei uns.
Ich sehe so abgekämpft aus, ob ich nicht eine Bratwurst möchte, werde ich gefragt.
Oh ja, bitte! Dieses »Zeitfahren«, das ich die Fähre bekomme, hat viel Kraft gekostet. Auch wenn ich es zwischenzeitlich aufgegeben habe. So bekomme ich eine Bratwurst im Brötchen gereicht. Dazu ein Bier. Beste Tat ever! Der Hund wird ebenfalls verwöhnt.
Und so kommt man ins Gespräch. Was ich mit meinem Tross denn so vorhabe? Warum die Kameradinnen und Kameraden denn auf einem Samstagabend hier vor dem Gerätehaus sitzen? Ich radel durch Deutschland, erzähle ich. – Wir haben hier alles wieder auf Vordermann gebracht, bekomme ich als Antwort. Einen Extratag für den Frühjahrsputz? Okay … andere Gegenden, andere Sitten.
Und so schreitet der Abend schnell voran und wird noch recht feucht-fröhlich. Zuerst vor dem Gerätehaus. Später, als es kälter wird im Mannschaftsraum, was mehr eine Küche ist. Ein Multifunktionsraum. Küche, Mannschaftsraum und auch einige Pokale stehen hier herum. Klein und gemütlich. Erinnert mich ein wenig an unser altes Gerätehaus, wo der Mannschaftsraum auch nicht sonderlich groß war.
Auf die Frage, wo ich denn diese Nacht mein Zelt aufschlagen dürfe, bereitet man mir eine riesen Überraschung. Man stellt mir das »Feuerwehr-Ei« vor. Ein wunderschöner, alter Wohnanhänger, den man für die Feuerwehr wieder hergerichtet hat. Er dient, und ich hoffe, ich schreibe es jetzt richtig. Er ist für die Betreuer, wenn es ins Zeltlager geht. Die Kiddies schlafen im Zelt, die Erwachsenen im »Ei«. Es bietet drei Erwachsenen eine Schlafmöglichkeit und soll mir diese Nacht meine Unterkunft sein.
Einzige Aufgabe, die mir zuteil werden soll: Wenn die Sirenen heulen, mache ich schnell das Tor auf und schaffe meinen Tross beiseite. Das bekomme ich doch locker hin. Die Sirene würde ich eh nicht überhören können. Befindet sie sich über mir auf dem Dach. Als kleines Gast- bzw. Dankeschön-Geschenk lasse ich einen meiner selbstgebauten Flaschenöffner da.
So verbringe ich die Nacht im Retzower Gerätehaus, im Ei. Die Sirenen schweigen zum Glück. Und am nächsten Morgen bekomme ich noch Frühstück bei der Oma eines Feuerwehrkameraden. Lotte einen Sack mit Futter von ihrer Freundin.
Allen Retzowern für diese unvergesslichen Stunden ein riesen Dankeschön! Ihr habt mir den besten Abend meiner bisherigen Reise beschert. Und es war mir eine Ehre als erster auswärtiger Feuerwehrangehöriger euer »Ei« zu bewohnen.
Mit kameradschaftlichem Gruß und »Gut Schlauch« … Mütze
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Hallo, klasse Tourbeschreibung. Ich schau fast jeden Tag ob es etwas neues gibt. Eine Bitte hätte ich noch. Schreib doch bitte mit rein von welchem Tag der Bericht handelt. Der Bericht von heute 05. April beschrieb ja wohl die Tour vom Samstag, 01. April. Das macht die Sache ein wenig anschaulicher. Gibt es irgendwo eine Vorschau wie Deine Tour insgesamt aussehen soll, also wohin Dich der Weg führt und wie lange die gesamte Tour dauern sollß
Weiterhin Dir und „Lotto“ gute Fahrt.
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Das ist Richtig. Der beschriebene Tag ist/war der 01. April. Eine wirklich feste Route gibt es nicht. Sicher habe ich Eckpunkte gesetzt. Musste die aber teils wieder über den Haufen werfen. Also fahre ich ganz naiv von Tag zu Tag ins Land hinein.
Das mit der Tagangabe werde ich überdenken. Danke für den Tipp.
Die Tour geht bis zum 27.04.2017. Danke für Deinen Kommentar. Wir werden sehen, wo es mich und Lotte noch hinverschlägt…
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Sollte auch Lotte und nicht Lotto heißen – sorry 😉
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Alles gut…
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