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Der dritte Tag in Tschechien …

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10.04.2017

Die Nacht habe ich geschlafen, wie ein Stein. Wie weit ich von der Grenze weg bin, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Eigentlich ist es mir bis hier her auch nicht so wichtig. Es macht einfach nur Spaß durch die Weltgeschichte zu radeln. Die kleinen Rückschläge einmal beiseite gerührt. Das Positive überwiegt eigentlich jeden Tag.

Also fertiggemacht, gefrühstückt und wieder drauf los. Mit dem Keilberg habe ich jetzt auch vorerst das »Schlimmste« hinter mir. Laut dem Streckenprofil des Navis begegnen mir zwar weitere Steigungen, aber allerhöchstens über einhundert Höhenmeter pro Steigung. Das schaut doch recht erträglich aus. Zwar werde ich sicher wieder das einoderandere Mal schieben dürfen, doch das ist mir gerade völlig egal.

Während ich mich in meine Klamotten werfe, fällt mir auf, dass ich am rechten Fuß eine Zecke sitzen habe. Na toll. Wo habe ich mir die denn eingefangen? Na, dann müssen wir ne Apotheke aufsuchen und eine Zeckenzange besorgen. Wird bestimmt spannend den Leuten hier zu erzählen, was ich möchte. Im Hotel ist ja alles so weit kein Problem. Deutsch, Englisch. Alles gut. Mach dich nicht wild. Man wird dir schon helfen können.

Unweit von dem Hotel finde ich dann eine. Es ist mehr eine kleine Mall. Neben dem großen Supermarkt sind im vorderen Gebäude lauter kleinere Geschäfte und eben auch eine Apotheke. »Sprechen Sie deutsch? Nein? Englisch? Alles klar …« Wann kommt man mal in die Situation jemandem auf Englisch zu erklären, dass man ne Zeckenzange benötigt? Dazu noch jemandem, der auch nicht besser, meist sogar schlechter englisch spricht als man selbst?

Also quatsche ich mir den Mund fusselig. Nachdem die Dame mir nicht folgen kann, beginnt ein mehr unfreiwilliges Vortanzen meinerseits. Tanz mal nen Zeckenbiss. Auch nicht einfach. – Naja, und als Deutsch, Englisch und Tanzperformance nicht den gewünschten Erfolg bringen, bleibt nichts anderes übrig. Zeigen. Also den Schuh und den Socken aus und ihr den Gammelfuß vor die Nase gehalten. Zu meinem Erstaunen hat sich die Zecke davon gestohlen. Toll. Umsonst getanzt. Aber immerhin ist das Vieh weg. Schnell noch in den Supermarkt und Hundefutter gekauft. Dazu Wasser, da man das Leitungswasser in Tschechien wegen Chloranteil nicht trinken kann.

Endlich geht es weiter. Kilometer um Kilometer auf die deutsche Grenze zu. Das Wasser in Tschechien schmeckt im Übrigen scheiße! Noch nie habe ich mich nach dem heimischen Leitungswasser gesehnt. Heute ist es der Fall. Ich muss aber hinzu sagen, dass ich noch nie Selter oder Mineralwasser gemocht habe. Das hier jedoch ist ne glatte Sechs. Kann aber auch sein, dass ich mich schlicht vergriffen habe. Dennoch schmeckt es mistig.

Mein Weg führt mich durch Karlsbad. Die erste größere Stadt in Tschechien, die ich durchradel. Es ist hier wirklich schön. Die Innenstadt, die Geschäfte, die ich so passiere. Schaut schon nett hier aus. Eine Pause lege ich dennoch nicht ein. Dazu bin ich noch nicht lange genug unterwegs. So lasse ich Karlsbad hinter mir und gelange im Laufe meiner heutigen Etappe an die Eger. Und dort auf einen Flussradweg. Keine Steigungen oder Gefälle. Herrlich! Während ich nun dem Flusslauf folge, komme ich durch eine weitere Stadt. Falkenau an der Eger. Hier bleibe ich aber auf dem Weg und lasse die Stadt mehr ungesehen vorbei ziehen.

Während ich so an der Eger entlang fahre, fällt mir auf, dass mein Tacho keine Geschwindigkeit mehr anzeigt. Was soll das denn? Die letzte technische Dokumentation, die noch nicht irgendwie dicke Backen gemacht hat und meine Streckendokumentation zergrützt hat. Bis jetzt jedenfalls. Lange kann das aber noch nicht sein. Keine fünf Minuten zuvor hat der doch noch angezeigt? Was ist das denn jetzt? Nach kurzer Suche werde ich fündig. Der Haltegummi vom Signalnehmer ist gerissen. Wie kann das Teil denn an der Stelle, wo nichts los ist, reißen? Und vor allem, wie will ich das jetzt reparieren, dass meine Dokumentation doch noch irgendwie gerettet wird?

Bild 1: Ein Blick auf den Stausee Gaßnitz – Bild 2: Essen fassen

Die Gummibänder, die die Zeltstangen geordnet halten. Vielleicht sind sie lang genug, dass ich den Nehmer an der Stange wieder befestigen kann. Also schnell das Zelt ausgepackt. Und tatsächlich. Die Gummibänder, naja, etwas lang sind die schon, aber der Nehmer hält an der Position, wo er sitzen soll. Kurz ein Probedrehen des Vorderrades und es kann weiter gehen.

Gegen frühen Abend zieht mit mal ein Gewitter auf und ich irgendwo, nur von kleinen Dörfern umringt, wo es kein Hotel gibt. Ein See ist hier mit einem Campingplatz. Aber campen bei Gewitter? Da sind wir dann doch heute etwas pingelig. Ein Hotel muss her. Also die Leute gefragt. Auf Englisch. Auf Deutsch. Cheb, zu deutsch Eger ist der Ort, wo ich fündig werden müsste. Na dann los. Das Gewitter selbst hält sich zurück und bis auf einen kurzen Schauer kommt bei mir nichts runter.

Die Straße führt mich ganz dicht an den See heran. Gerade einmal so breit, dass ein Auto hier darauf fahren kann. Links sind lauter kleine Häuschen, die alle mehr nach Ferienhaus aussehen. Rechts von mir liegt der See. Schade, dass das trübe Licht und die Wolken diesen Blick so ziemlich kaputt machen.

Eger ist noch circa zehn Kilometer entfernt. Als ich endlich das Ortsschild erreiche, möchte ich eigentlich gleich wieder umdrehen. Bordsteinschwalben rennen hier zuhauf herum. Dazu die zwielichtigen Gestalten, die dazwischen umherschleichen. Das ist ja genau deine Gegend, geistert es mir durch den Kopf. Ich mit Fahrrad, Gepäck und Hund inmitten dieser Gestalten. Dazu wird es immer dunkler. Nein. Hier will ich definitiv nicht sein.

Endlich im Stadtkern folge ich den Hinweisschildern der Hotels. Und was ist? Das Erste macht nicht einmal die Tür auf. Hinzu tauchen hinter mir drei Typen auf, auf dessen Bekanntschaft ich doch gerne verzichten möchte. Beim zweiten Hotel habe ich dann Erfolg. Endlich habe ich ein Zimmer. Während ich mein Fahrrad ablade, steht plötzlich ein Typ unweit von mir entfernt. Jetzt, bei genauerem Überlegen, erinnert er mich an Schlemihl aus der Sesamstraße. Der Typ, der Ernie immer irgendeinen Mist verkaufen möchte …

»Eeeeey! Brauchst du was?«, dringt es an mein Ohr.
»Was soll ich denn brauchen?«
»Ein Mädchen. Eine Massage, oder so?«
»Guckst du mich mal an? Ich habe mir tierisch die Fresse verbrannt, bin siebzig Kilometer durch die Berge geradelt. Alles, was ich jetzt noch brauche, ist eine heiße Dusche und dann ein Bett.«
»Wo kommst du denn her?«
»Aus Hamburg …«
»Heute?«
»Wie soll das denn gehen? Nein, ich bin zwei Wochen jetzt unterwegs.«
»Brauchst du denn etwas anderes?«
»Was denn?«
»Ne Waffe oder so?«
»Was soll ich denn jetzt mit ner Waffe? Ich brauche ne Dusche und dann ein Bett!«
»Na gut, okay. Aber wenn du was brauchst, dann ruf mich an, ja? Schreib dir meine Nummer auf.«
»Hab ich nen Stift in der Hand? Sag sie mir. Ich merke sie mir.«

Also sagt er mir seine Telefonnummer. Ich wiederhole sie zwei Mal, ehe sich der Typ aus dem Staub macht. Kaum ist er hinter der Ecke verschwunden, habe ich die Nummer wieder vergessen. Völlig bescheuert die Leute hier. Die Hoteldame sagt, dass hier viele schlechte Menschen umherstreifen. Hätte ich jetzt nie gedacht. Auf die Frage, ob das Restaurant noch offen hat, bekomme ich den Hinweis, dass ich doch die Straße hinunter gehen möchte. Dort sei etwas, wo man noch essen könnte.

Garantiert gehe ich nicht mehr auf die Straße. Also rauf aufs Zimmer und dort den Proviant ausgepackt. Während meiner ganzen Reise habe ich noch kein derartiges Fressgelage aus meinem Proviant gezaubert. Der Wahnsinn. So einfach und doch so lecker. Nach der Dusche falle ich schließlich völlig erledigt in mein Bett. Ich habe es bis kurz vor die deutsche Grenze geschafft. Mal schauen, was Morgen passiert …

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