Ich bin in Plech?!
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12.04.2017
Wie am Vortag komme ich schnell auf die Straße, denn Frühstück bekomme ich nicht. Ist es schlimm? Nein. Es spart Zeit. So kann ich am frühen Morgen schon einige Kilometer hinter mir lassen, ehe ich mir in Eschenbach ein Frühstück gönne. In einer dortigen Konditorei lege ich eine Weile die Beine hoch. Es ist der siebte Tag am Stück, an dem ich in die Pedale trete. Den Beinen geht es bei ebener Fahrt durchaus gut. Es darf nur keine Steigung kommen.
Ich muss dringend eine Pause haben. Als ich in Pressath am Morgen gestartet bin, habe ich noch circa fünfundachtzig Kilometer bis Pilsach vor mir. Ich bin auf meiner ganzen Reise zwar noch keine derartig lange Etappe gefahren, aber aufgrund des frühen Aufbruchs heute Morgen absolut machbar. Der Hund liegt während meiner Pause draußen im Anhänger und schläft.
In der Konditorei werde ich gefragt, wo ich hin möchte. Auerbach in der Oberpfalz gebe ich als Zwischenziel an. Wie ich fahren möchte, werde ich weiter gefragt. Nach Navi gebe ich zu verstehen. Wo leitet dich das Navi denn hin, fragt man weiter. Also schnell auf den Streckenverlauf geschaut. Ich soll über Grafenwöhr fahren.
Man rät mir davon ab. Denn dort befindet sich ein Militärgebiet der Amerikaner. Wenn ich dort reinfahren würde, hätte ich richtig Geburtstag. Und Ärger am Hals. Demnach ist es bis hier her das vierte Militärgebiet und das Dritte, wo mich das Navi durchschicken will. Ein Scheißteil. So fahre ich über Kirchenthumbach.
Auf dem Weg dorthin führt der Fahrradweg etwas von der Bundesstraße weg durch einen kleinen Waldabschnitt. Hier ist alles abgesperrt. »Waldarbeiten – Lebensgefahr« steht auf den Schildern. Abgerodete Bäume sehe ich, ja. Alle aufgestapelt und abholbereit. Maschinen höre ich nicht. Menschen sehe ich auch keine. Wie soll ich denn jetzt fahren? Auf der gegenüberliegenden Seite kann ich die dortige Absperrung sehen.
Durch da. Ich habe auf diesen Kack jetzt keine Lust mehr. Wieder an der Straße sehe ich auf der anderen Straßenseite oberhalb der Baumkronen die amerikanischen Helikopter fliegen, wie sie Krieg spielen. Und da solltest du durchfahren. Verachtend schaue ich auf das Navi. Arschloch.
Hinter Kirchenthumbach ist dann auch noch der Fahrradweg zu Ende und ich muss auf der Bundesstraße weiter fahren. Knappe drei Kilometer, ehe ich dann wieder auf eine ruhigere Straße einbiegen darf, die mich nach Auerbach führt. In Auerbach selbst verliere ich dann meinen Weg. Ich sehe zwar einen Wegweiser, der Neuhaus an der Pegnitz aufzeigt, doch der Weg führt mich in eine Wohnsiedlung. Den Anwohner, den ich frage, meint nur, ich müsse nur gerade aus. Dann komme ich schon nach Neuhaus.
Gut. Dann drauf los. Raus aus Auerbach in den Wald hinein. Ein schöner Weg, muss ich wirklich sagen. Wenn die Steigungen nicht währen. Sie sind alle nicht schlimm, aber der Kater in meinen Beinen bringt mich allmählich um. Immer weiter führt mich der Weg durch die Wälder. Ich muss doch bald mal in Neuhaus ankommen? Ich habe völlig die Orientierung verloren. Das Navi selbst deutet immer brav geradaus.
An einer Weggabelung entdecke ich schließlich einige hölzerne Wegweiser. Das Navi zeigt nach rechts. Der Wegweiser dorthin hat Plech darauf stehen. Nee! Da will ich nicht hin. Das ist ja ein riesiger Umweg. Und wechsel das Ziel und gebe nun Neuhaus ein. Zuvor hatte ich Velden eingegeben. Okay, dann jetzt nach links. Schon wieder bergauf. Immerhin habe ich einen asphaltierten Weg.
Dieser führt mich an eine Hauptstraße, der ich rechts herum folge. Ein Hinweisschild entdecke ich. Pegnitztalradfahrweg. Von Auerbach bis Erlangen. Pegnitztalradfahrweg. Da wolltest du doch rauf. Also weiter. Vorwärts komme ich jedoch nicht. Ich habe das Gefühl, als fahre ich auf einem Laufband. Es ändert sich so gut wie nichts an der Umgebung. Geschwindigkeit bekomme ich auch nicht drauf. Dieser Abschnitt wirkt wie verhext. Die Straße kenne ich auch nicht. Aber ich bin hier in der Gegend doch schon mal mit dem Auto umher gefahren?
Ich soll nach links abbiegen, in den Wald zurück. Ich stehe auf der Straße und sträube mich eigentlich, dies wirklich zu tun. Letztendlich mache ich es aber doch. Ich habe mittlerweile an die vierzig Kilometer auf der Uhr, aber gefühlt nichts geschafft. Als ich aus dem Wald herauskomme, glaube ich zu spinnen. Untermauert wird es von einem ganz miesen Gefühl. Die Dorfsilhouette, die sich vor mir aufbaut, kommt mir bekannt vor.
Bitte nicht! Es würde bedeuten, dass ich fast zehn Kilometer in die falsche Richtung gefahren bin.

Doch leider ist es der Fall. Auf dem Ortsschild steht Plech, Landkreis Bayreuth. Ich möchte im Strahl kotzen. Der Radfahrweg, dem ich gefolgt bin, war nicht der Weg, den ich eigentlich wollte. Aber ein Gutes hat es jetzt. Ich weiß jetzt, wo ich bin. Hier kenne ich mich aus. Hier bin ich schon gefühlte hundert Mal mit dem Auto durch. Von hier sind es aber auch weitere sechzig Kilometer bis Pilsach.
Mit einem garstigen Grinsen und gehörig Wut im Bauch mache ich nun meine technische Wegfindung aus. Scheißteil, schießt es mir wieder durch den Kopf. Aber jetzt bin ich dran. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, doch aus irgendeinem Grund werde ich von einem Kraftschub gepackt, der mich recht zügig durch den Ort Viehhofen führt. Endlich erreiche ich die Abfahrt ins Pegnitztal in die Stadt Velden hinunter.
JETZT bin ich im Pegnitztal. Da, wo ich seit Auerbach durchfahren wollte. Jetzt habe ich die Möglichkeit, dass ich an der Hauptstraße bleibe, oder den dortigen Radfahrweg nehme. Es wird ein Mix aus beidem. Einfach mal ein Gefühl zu bekommen, wie sich die jeweiligen Strecken anfühlen. Kannte ich eigentlich bisher nur die Straße mit dem Auto.
Das Pegnitztal selbst ist malerisch. Der Fluss Pegnitz windet sich wie eine Schlange durch das schlanke Tal. Links und rechts tauchen immer wieder schroffe Steinformationen auf, an denen man immer wieder mal Kletterer entdecken kann. Wälder säumen die Hänge. Die Straße windet sich, wie der Fluss durch das Tal. Mal fährt man links vom Wasser, mal rechts. Kanufahrer ziehen hier ihre Runden. Radfahrer teilen sich mit den Autos die Straße, oder befahren den sandigen Radweg.
Durchschnitten wird das Pegnitztal von einer schnurgeraden Bahnstrecke. Immer wieder tauchen die Gleise über einem auf. Führen Brücken durch diese tolle Kulisse, ehe die Trasse wieder im Tunnel verschwindet, um nur einige hundert Meter weiter erneut über eine Brücke zu führen. Die in die Länge gezogenen Dörfer verleihen dem Ganzen ein weiteres besonderes Flair.
Gegen späten Nachmittag gönne ich mir eine weitere Pause. Heute mal keine bayerische Küche. Ein Grieche weckt mein Interesse. Eine große Portion totes Getier, bitte. Viel Eiweiß für die Beine. So setzte ich gegen sechs Uhr am frühen Abend meinen Weg fort. Fünfunddreißig Kilometer noch. Dazu noch mindestens zwei Berge, von denen ich weiß, dass sie nicht gerade schön zu befahren sind. Also, mit dem Fahrrad. Wird eng. Aber ich will es schaffen, so dicht wie möglich heran zukommen.
Wie von einer unsichtbaren Macht beflügelt »fliege« ich fast durch das Tal. Den Ort Hohenstadt erreiche ich nach gut einer Stunde. Ich wundere mich selbst ein wenig, wie ich jetzt plötzlich so schnell vorwärtskomme. Allerdings ist zwei Orte weiter Schluss. In Kainsbach melden sich die Beine nun völlig ab. Der Schupfer-Berg ist jetzt mein Meister. Einer der Berge, von denen ich wusste, dass sie nicht schön werden würden.
Zum Ortsausgang hin befindet sich eine kleine Wirtschaft. Im Gasthaus »Zur Linde« ist die Hölle los. Die Blaskapelle spielt auf. Ein Gesangverein trällert aus voller Brust. Was dort wohl los ist? Eigentlich war der anfängliche Gedanke, als ich dort anhalte, nur aufs Klo zu gehen und dann weiter fahren. Doch während ich da so throne überkommt mich der Leistungsknick. Knapp an die achtzig Kilometer habe ich geschafft. Bis zum Ziel sind es jetzt noch knappe achtzehn Kilometer.
Komm, die kannst du auch Morgen machen. Den Schupfer-Berg lässt du heute in Ruhe. Also ran an den Tresen. Ob man hier schlafen könne, frage ich. Wir haben die Zimmervermietung aufgegeben, bekomme ich als Antwort. Ob ich irgendwo mein Zelt hinstellen dürfe, und wenn ich im Kuhstall schlafen muss, es sei mir alles egal. Hauptsache liegen. Der Kuhstall sei voll. Da könne ich nicht schlafen.
Nach kurzer Rücksprache mit ihrem Mann meldet sich die Wirtsfrau. Sie macht mir ein Bett fertig. Ich dürfe aber nicht so auf das drum herum im Zimmer achten. Es ist halt nicht mehr für Übernachtungen hergerichtet. Die Betten stehen dort halt noch. Das drum herum interessiert mich nicht. Mich interessiert das Bett, gebe ich zu verstehen. Also abgemacht. Während die Wirtschaft aus allen Nähten platzt, macht man mir das Bett fertig. Der Wahnsinn. Dafür nochmal ein riesen Dankeschön! Ein zweites Abendbrot gönne ich mir auch noch. Zwar bin ich eigentlich pappsatt, aber ein handballgroßer Kartoffelknödel mit Soße geht immer.
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