Begleitet von Oldtimern und Traktorkolonnen …
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13.05.2018
Du musst aufstehen, oder? Hast du Bock? Nää! Musst aber. Ach, ne halbe Stunde noch. Ich habe doch keinen Stress. Auch wahr. Also mach die Glotzkorken nochmal zu. Spitzen Idee …
Es ist weit nach acht, als ich mich endlich aus dem Schlafsack bequeme. Sie Sonne scheint durch die Baumkronen über mir. Die Vögel darin trällern mir ihre schönsten Lieder. Die Tauben hingegen gurren alles kaputt. Auch in der Tierwelt gibt es da so ein paar Querköpfe. Es dauert gefühlt eine Ewigkeit, bis ich mein Geraffel abgebaut und verstaut habe. Zwischendrin hat sich der Wirt bei mir gezeigt. Ob ich die sanitären Anlagen nutzen möchte, fragt er. Nur zu gerne. Also fix die Zahnbürste durchs Gesicht geschoben. Und dann surrt die Kette meines Rades auch schon wieder. Die letzten gut vierzig Kilometer Richtung Sandstedt.
Es dauert nicht allzu lange, und ich darf von der Hauptstraße abfahren. Nun sind es wieder schmale Wege, die Begegnungen zweier Autos interessant werden lassen. Kommt einem einer der großen Traktoren entgegen, wird es spannend. Ein Herr, der mit einer Dame scheinbar im Nachbarschaftsschnack ist, wird auf mich aufmerksam. Es folgt ein kurzer Plausch zwischen uns Dreien, in dem ich meine Absichten schilder. »Zur Weserfähre? Warum fährst du nicht da vorne links über das Örtchen Appeln?« – »Navi sagt dort entlang. Soll strategisch kürzer sein.« – »Ach?«
Memo an mich selbst: Wenn dir ein Ortskundiger sagt, dass du dort und da entlang fahren sollst. Dann machst du das! Denn das Navi möchte mich kurze Zeit später wieder über unbefestigte, gar unwegsame Feld- und Waldwege schicken. So früh am Morgen, ist die Motivation zu so etwas jedoch nicht sonderlich hoch. Aber anstatt nach links zu fahren, wo ich potentiell auf den Querweg, den mir der Herr empfohlen hat, ziehe ich nach rechts. Resultat ist ein nicht gerade kleiner Umweg. Denn nachdem ich rechts und zwei Mal links gefahren bin, gelange ich nach einigen Kilometern Hauptstraße, ohne Fahrradweg, doch noch nach Appeln. Manchmal bin ich doch echt ein Fuchs.
Es führt der Weg über Beverstedt, wo mich der Ortskern doch recht angesprochen hat, nach Stubben. Dort entdecke ich eine Bank samt intaktem Mülleimer. Frühstück! Und so sitze ich da. Etwas Trockenfleisch, Bananen, Schokolade. Eine, sicherlich nicht jedermanns Zusammenstellung einer Mahlzeit. Es soll ja auch nur auf die Schnelle etwas im Magen landen, dass ich zügig weiter kann. Eine Menge Oldtimer ist diesen Sonntag auf diesen Straßen unterwegs. Dazu ziehen unzählige Trecker mit Wohnanhängern an mir vorbei. Alle Richtung Weser. Ein abwechslungsreiches Konzert an Traktormotorgeräuschen hallt mir ans Ohr. Mal ist es ein Lautes *Pott, Pott, Pott!* Mal ein mehr lustig Klingendes *Kartoffel, Kartoffel, Kartoffel*. Dazu steigen dicke, schwarze Rauchwolken aus deren Abgasrohren auf.
Und plötzlich sitze ich nicht mehr alleine auf der Bank. Ein Herr, einige wenige Jahre älter als ich, kommt mit seinem Fahrrad vorbei und gesellt sich zu mir. Wir quatschen etwas über dieses und jenes und schauen gemeinsam den Traktorkolonnen hinterher. Als ich dann weiter möchte, begleitet er mich noch bis zum Nachbardorf. Er wolle dort ohnehin hinfahren. Jemanden besuchen. Auf dem Weg nach Bokel, so heißt der nächste Ort, haut er immer mal wieder an vorbei kommende Lichtmasten. Schlägt mit der flachen Hand an Verkehrsschilder. Es sei eine Marotte von ihm, sagt er. Er brauche das als Ventil. Komischer Kauz, schießt es mir durch den Kopf.

Wenige Kilometer später bin ich dann wieder alleine unterwegs. Auf einem Parkplatz, direkt an der Straße entdecke ich dann einige der Traktoren, deren Fahrer eine Pause eingelegt haben. Jetzt wäre die Möglichkeit zu fragen, was diese »Völkerwanderung« zu bedeuten hat. Also die Gelegenheit beim Schof gepackt. Man komme vom Traktorentreffen irgendwo in Schleswig-Holstein. (Ich hätte mir aufschreiben sollen, wie der Ort heißt, wo das war. Jetzt im nach hinein will es mir über die Onlinesuche nicht gelingen. Ob ich nun nach Sternfahrt oder einfach nur Traktorentreffen suche. Nichts Konkretes wirft das Netz aus. Ich bitte um Entschuldigung.)
So setze ich meinen Weg weiter fort. Nur um wenig später von den Herren in ihren alten, aber liebevoll aufbereiteten Gefährten wieder überholt zu werden. So kommt es nicht selten vor, dass sie neben mir besonders aufs Gaspedal treten. Worauf ein Ruck durch ihr Gespann geht. Der Auspuff eine besonders dicke Wolke ausstößt. Und man mit einem schelmischen Lächeln an mir vorbei zieht. Man nimmt es mit Humor. Denkt aber für den Bruchteil einer Sekunde darüber nach, dass die das wohl nicht geschafft hätten, wäre ich ohne Gepäck und Anhänger unterwegs. An der Fähre in Sandstedt begegne ich einigen von ihnen dann sogar noch wieder. Dazwischen haben sich weitere Radreisende gemischt. So komme ich auch mit meinesgleichen ins Gespräch.
Leichte Enttäuschung macht sich in mir breit, als ich sehe, dass weder hier noch auf der anderen Seite eine Lokalität, ein Kiosk zu finden ist. Ein gekühltes Getränk wäre bei der heutigen Hitze schon schön gewesen. Leider ist das nicht der Fall. So radel ich weiter. In dem Ort Ovelgönne ist dann auch mein letzter Tropfen Wasser aufgebraucht. Also fix an irgendeiner Haustür geklingelt. Gar kein Problem sagt der Herr und verschwindet kurz. Wo ich denn hinmöchte, wo ich herkomme, fragt er, als er mir das kühle Nass überreicht. Es folgen kurze Erklärungen und noch ein wenig beiderseitiges Geplapper, dann geht es für mich auch schon weiter.
Und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich froh, dass ich nicht, wie zu Hause auf Googlemaps angezeigt, permanent an der Bundesstraße fahren muss. Es sind schmale Wege durch die kleineren Dörfer, die mich näher und Näher an Loy heranführen. Entwässerungsgräben säumen die Straßen. Bäume von hohem Alter stehen majestätisch in der Landschaft. Deren Kronen in einem satten Grün erstrahlen. Aus der Masse der unzähligen Blätter ertönen die Lieder zahlreicher Vögel. Fast schon ein wenig schade, dass man bereits so dicht vor seinem Ziel ist.
Es hat aber auch seinen Vorteil. Donnergroll hallt aus weiter Ferne an mein Ohr. Tritt in die Pedale! Du möchtest trocken ankommen! Doch mein Navi hat eine Überraschung für mich parat. Ich lande ein weiteres Mal auf einem unbefestigten Weg. Nicht schlimm, denke ich mir. Kennst du ja. Problem hier. Es ist loser Sand. Also schieben. Donnergroll im Nacken und Sandweg vor mir. Fast drei Kilometer soll ich folgen. Eine Querstraße kommt. Asphalt. Geradeaus? Sand. Komm, einen Abschnitt machst du noch. Vielleicht bessern sich die Bedingungen. Nein. Es bleibt beim losen Sand. Eine weitere Querstraße erscheint. Wieder Asphalt.
Bei der dritten Querstraße platzt mir dann die Hutschnur. In der Entfernung kann ich die Autos sehen, wie sie über die Bundesstraße jagen. Entweder weiter durch den Sand oder auf dem Radweg entlang der Straße. Straße ist in diesem Fall die Wahl. Hinzu kommt jetzt doch nicht zu vernachlässigender Hunger. Eine weitere wilde Mahlzeit aus meinem Proviant reizt mich nicht wirklich. So lande ich in einem Imbiss, dessen Inhaber mir eine Pizza serviert, die ich überall, aber nicht in solch einem Etablissement erwartet hätte. Geschmacklich ganz großes Kino. Mit dickem Bauch greife ich die letzten sechs Kilometer an. Ganz trocken bleibe ich nicht. Aber das ist egal. Ich habe meine Unterkunft erreicht. Die Dusche wird gleich mein neuer bester Freund!
Fahrstrecke: 69,68 km
Höhenmeter: 141 m
Zeit: 5:10 h
D.-geschw.: 13,48 km/h
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