Abbruch! – Es lief auch zu gut!
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23.07.2018
Aufstehen? Jetzt? Heute? Nicht wirklich, oder? – Doch. Wie eine Schildkröte mit Arthritis komme ich aus meinem Zelt gekrabbelt. Auftreten ist nicht das Liebste, was ich heute machen möchte. Unter beiden Fußballen und am rechten Hacken habe ich eine mir am Vortag jeweils eine dicke Blase gelaufen. Dabei war im Vorwege die Überlegung: Kaufe ich mir uneingelaufene Wanderschuhe, oder gehe ich in eingelaufenen Laufschuhen auf den Trip. Es ist die Antwort »B« geworden. Blasen habe ich jetzt dennoch. Da springt der Hund auf und bellt. Er hat den Hausmeister im Gebüsch gesehen, der Grünzeug entsorgt. Man plaudert kurz. Einen Kaffee lehne ich dankend ab. Bin kein Kaffeetrinker.
In Buchholz am Edeka gönne ich mir mein erstes echtes Frühstück. Die Bank am Haupteingang wird erstmal eingenommen. Brötchen, Wurst und Vorräte für die kommenden Tage werden beschafft. Danach heißt es dann Schlemmen. Die Leute, die in den Laden gehen, schauen etwas verwirrt, dass da wer sitzt, einen Hund zwischen den Füßen. Tüten und Plastikboxen um sich herum.
Habe ich die ersten zwei Tage nahezu ausschließlich Wirtschafts-, Wald-, Wander- und Feldwege gesehen, führt mich mein Weg nun an den Hauptstraßen der Stadt entlang. Hier unter einer Unterführung hindurch, dort über eine Brücke. Da bin ich dann auch schon auf dem direkten Weg nach Seppensen. Im Dorf selber biege ich in eine ruhigere Straße ein. Das kennst du hier, schießt es mir in den Kopf. Hier bist du im Mai mit dem Fahrrad gewesen. Und wirklich. Ich bin auf der Strecke, die mich damals nach Jesteburg führte. Jetzt rennst du hier zu Fuß lang. Völlig bescheuert!
Ich laufe an Pferdekoppeln vorbei. Werde von einigen Autos eingestaubt. Lotte trottet langsam einige Meter vorneweg. Wenn sie stehen bleibt, was nicht so selten passiert, und aufmerksam Richtung Wald blickt, dann frage ich sie, was dort denn los sei. Dann blickt sie zu mir und zottelt augenblicklich weiter.
Wenige Kilometer vor Thelstorf, glaubt dann ein anderer zu spinnen. Ich habe gerade die alte Wassermühle hinter mir gelassen, da überholt mich ein Auto. Am Steuer sitzt ein guter Freund meines Cousins. Wo ich mein Fahrrad gelassen hätte, fragt er nach dem ersten »Schock«. Man blödelt noch etwas am Straßenrand herum, ehe man sich wieder trennt.

Bei der Begegnung mit der nächsten Person jagt mir im Vorwege ein Schreck durch die Glieder. Eine Dame ist von hinten leise, wie eine Katze an mich heran geradelt. Ich habe sie beim besten Willen nicht gehört. Versetzt hinter mir ertönt dann plötzlich ihre Stimme. Dass sie noch nie einen Hund mit Rucksack gesehen hätte. Die Frau, vielleicht einige wenige Jahre älter als ich, käme aus Mainz und würde hier bei einer Freundin Urlaub machen. Nun gondele sie hier durch die Wälder der Heide. Man wolle nach Holm. Dort würde ein Herr warten, der ihr eine weitere Wassermühle zeigen wolle.
Kaum erreiche ich Holm, entdecke ich die Mühle und meine flüchtige Bekanntschaft wieder. Der Herr sei nicht da. Ich nehme unterdessen die Bank auf der anderen Straßenseite ein und gönne mir eine Konserve Pfirsiche. Der Hund landet, wie heute schon einige Male anderorts zuvor, im angrenzenden Gewässer. Und dann taucht der Herr von der Mühle dann doch noch auf. So trennen sich unsere Wege endgültig. Über den Ort Schierhorn gelange ich an der Hauptstraße nach Wesel. Hier finde ich nach einigen wenigen Absagen dann doch noch einen Platz zum Zelten. Ein Bauernhof, dessen Eigentümer zwar im Urlaub ist, dessen Mieter aber keine Probleme sieht, dass ich hier eine Nacht verbringe. Er hätte am Haus einen Wasserhahn, den ich nutzen könne. Auf die Frage, wie ich das mit der Notdurft machen soll, fragt er, ob ich einen Klappspaten dabei hätte. Somit sei der Wald mein bester Freund. Ein Pärchen in der weiteren Nachbarschaft, die gerade einige Tage in ihrer Ferienwohnung verbringt, lerne ich als Nächstes kennen.
Nachdem das Zelt aufgestellt und die Luftmatratze aufgepustet ist, sammel ich etwas Bruchholz von den angrenzenden Eichen. Nudeln mit Brühe sollen es heute werden. Cabanossiwurst schneide ich noch mit hinein. Festmahl! Lotte, die ich zuvor zum Schlafen ins Zelt geschickt habe, fängt das Winseln an. Sie möchte noch einmal raus. Da entdecke ich das Malheur. Mein Hund humpelt auf der linken Vorderpfote. Jetzt sind wir zwei Fußkranke. Ich entscheide mich aber doch, bis Morgen abzuwarten. Den Hund abholen lassen kann ich dann auch noch.
Als ich mich auf meine Luftmatratze lege, wundere ich mich, warum das Luftpolster schon wieder so bescheiden ist. Ich hole sie aus dem Zelt und betrachte die Seiten. Den Boden. Nein, alles heil. Ich puste sie wieder auf. Da zischt doch etwas? Ich betrachte und lausche weiter. Nicht sie Unterseite. Nicht die Flanken. Es ist ein Loch auf der Liegeseite. Wie geht das denn? Egal. Versuch zu schlafen. Wenn die Luft in der Nach weg geht, dann ist es so. Doch kaum liege ich wieder auf meiner Schlafunterlage und es sagt »Ratsch«. Gefolgt von einem kurzen heftigen Zischen. Ich habe mich anscheinend mit dem Ellbogen genau auf dem Loch abgestützt, was zum Einreißen geführt hat. Somit liege ich auf dem harten Waldboden der Tatsachen. Jetzt sind es drei Dinge auf einmal. Ich bin fast siebzig Kilometer in die Heide hinein gelaufen. Eine Strecke, die ich in einer derart kurzen Zeit noch nie gewandert bin. Und jetzt liegen im Zelt zwei Verletzte und eine tote Luftmatratze.
Nicht weit nach Mitternacht bin ich dann wieder zu Hause. Die vorübergehende Unterbrechung ärgert mich zwar gewaltig. Aber ich kann damit leben. Beim Tierarzt möchte ich schließlich selber dabei sein. Ich muss in meinen Outdoor-Shop und eine neue Matratze beschaffen. Die Füße verlangen etwas Ruhe. Fertig bin ich mit der Heide aber noch lange nicht! Wann ich mich wieder herbringen lasse, weiß ich noch nicht. Aber die Heide werde ich weiter bewandern. Egal, ob glühende Hitze oder gießender Regen! Und dann! Ja dann! Beginnt der Anlauf auf Wacken!
Laufstrecke: 19,46 km
Zeit: 4:31 h
D.-geschw.: 4,51 km/h
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