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Die Welt ist ein Dorf

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27.07.2018

Die Vöglein singen und lassen mich sanft aus dem Land der Träume erwachen. Zum Aufstehen habe ich jedoch noch keine Lust. Ein Blick auf die Uhr gibt mir Recht. Also noch einmal umgedreht. In dem Moment, wo ich merke, dass die Sonne die Temperaturen im Zelt ansteigen lässt, und es zu blöd wird, um weiter zu dösen, krabbel ich aus meiner Behausung.

Gemächlich beginne ich meinen Krempel zusammen zupacken. Schnell das stille Örtchen vom Hotel aufgesucht und schließlich beschreite ich wieder die Straße. Wobei Straße relativ ist. Es führt unmittelbar hinter den Bahngleisen, die direkt am Hotel vorbei führen, ein Weg halb durch die Wildnis. Ein Schleichweg, wenn man so will, der mich binnen kürzester Zeit aus Handeloh heraus führt. Nein, kein Schleichweg. Ich bin wieder auf dem Heidschnuckenweg. Aber nicht lange. Ich beschreite wieder eine dieser Schottersandstraßen. Habe ich gesagt. Schottersand? Sand trifft es eher. Es ist ein Pferdewanderweg dazu gekommen. Den Schotter hat man ab der Zusammenführung weggelassen. Es ist Sand. Feiner, tiefer Pudersand. Annähernd drei Kilometer zeigt mein Fahrradnavi an. Selbst mit nem Fahrrad wäre dieser Weg ein Graus. Mit dem Handwagen ist es der Horror.

Zwei Mal versuche ich mit dem Wagen auf dem Trampelpfad auszuweichen, den andere vor mir direkt daneben geschaffen haben. Das Problem: Der Pfad ist derart schmal, dass es eine wahre Gratwanderung darauf ist. Eine falsche Bewegung … Innerhalb einer halben Stunde schmeiße ich den Wagen seitwärts zwei Mal in den Dreck. Beide Male fliegt mein verzurrtes Gepäck auseinander. Also versuchen den Wagen möglichst waagerecht irgendwo anlehnen oder aufliegen lassen. Dann den Sand aus den Kisten herausholen. Alles Herausgefallene wieder verstauen, übereinanderstapeln und verzurren. Ich bin angefressen. Nein. Ich bin wütend. Ich komme kaum vorwärts. Durch den Sand nicht. Über den Trampelpfad überhaupt nicht. Ich zerre den Karren unter großen Kraftaufwand durch den Wald. Der Wasservorrat schwindet, wie am Vortag, rasant. Es ist zum Haareraufen, wenn ich welche hätte. Ich könnte mir den Bart raufen. Würde sicher bescheuert aussehen. Lassen wir das.

Als ich diesen Abschnitt hinter mir lasse, geht es dem gestrigen Tag gemäß, gewohnt weiter. Schotter. Euphorie kommt auf, als ich endlich auf eine Hauptstraße treffe. Ein Fahrradweg. Ich soll nach links biegen. Ich erblicke eine Bank. Einen Tisch. Ein Mülleimer. Pause! Iss etwas. Trink. Ab hier kann es nur noch besser werden. Ich schaue aufs Navi. Ja, so wie es aussieht, habe ich diese ganze Querfeldeingeschichte überwunden. Der Weg war landschaftlich schön, darüber will ich gar nicht diskutieren. Nur der viele Sand in der Heide. Schrecklich. Aber es hat nun ein Ende. Mindestens zwanzig Kilometer habe ich nun Haupt- und Nebenstraßen auf meiner Route.

Bild 1: Ein toller Teilabschnitt – Bild 2: Eine Heuschrecke

Da hält plötzlich ein Bus auf dem angrenzenden Parkplatz. Zwei wuselige Blondschopfe steigen aus. Es sind die beiden Töchter meines Cousins, die von Mutti vom Kindergarten abgeholt wurden. Was ich denn hier mitten in der Wildnis mache. Wo mein Fahrrad sei. Ich werde mit staunenden Augen betrachtet. Ja, dieser Typ ist zu Fuß hier. Man bietet mir, an meinen Zossen im Wagen zu verladen. Dann würde ich drei Kilometer sparen. Ich lehne ab. Lass mich man laufen. Ich bin groß. Ich kann das.

Einige Minuten verweile ich noch alleine auf meiner Bank, bis ich mich motivieren kann, weiter zu gehen. Es ist herrlich! Wie leicht der Wagen über den Radweg rollt. Dazu geht es auch noch bergab. Die drei Kilometer bis Buchholz kommen mir zeitlich vor, wie fünf Minuten. Man wartet auf der Terrasse auf mich. Viele, viele Fragen prasseln auf mich ein, die ich durch meine bisherigen Erlebnisse beantworte. Man fährt noch zusammen zum Supermarkt, ja da lasse ich mich dann doch einmal fahren. Es wäre ein Umweg gewesen. Zwar nur ein Kleiner, aber den spare ich mir. Danke für den Fahrdienst.

So lande ich gute anderthalb Stunden nach meiner Ankunft wieder auf der Straße. Ich genieße das Vorwärtskommen. Es ist so leicht. Ja, es ist auch heute wieder sehr warm. Doch auf diesen Wegen? Es ist fast egal. Ich reiße Kilometer. Wirklich. Ein Fuß vor dem anderen. Schritt für Schritt. Hollenstedt, das ich für heute als Zwischenziel auserkoren habe, kommt rasant näher. Kann aber auch sein, dass es nur so ein inneres Gefühl ist, dass es rasant zugeht.

In Dierstorf laufe ich gerade an einer Hobbywerkstatt vorbei. Der Schlosser kommt heraus und mustert mich, als ich passiere. Zu Fuß? Nach Wacken? Willst ein Bier? So stehe ich keine Minute später mit einer Knolle in der Hand in seiner Butze. Er mache gerade seinen Kleinbus wieder fertig. Den Motor einmal komplett überholt. Nun sei er halt wieder am Zusammepuzzeln. Irgendwann möchte er damit auch zu einer Tingelfahrt aufbrechen. Dort anhalten, wo es gefällt und später wieder weiter.

In Hollenstedt knurrt dann der Magen merklich. Auch ist die Motivation für heute ziemlich erschöpft. Die Füße bringen mich um. Ich setze mich vor den Dönerladen. Ich habe noch nie einen Dönerauflauf gegessen. Um ehrlich zu sein. Ich bin begeistert. Nachdem der Bauch dann auch kugelrund ist, entscheide ich mich dann aber doch noch einige Kilometer zu machen. Wenigstens ein paar. Drei. Vier. Vielleicht fünf. Ein Van hält auf dem Parkplatz. Ein Herr mit drei jungen Mädels steigt aus. Wildes Geschnatter begleitet sie. Niederländer. Vor meinem Handwagen bleibt dessen Vater stehen. Als sich unsere Blicke treffen, fragt er, ob ich laufe. Ich nicke. Er zieht die Mundwinkel nach untern, neigt den Kopf respektvoll und zeigt mir nen dicken Daumen. Mal eine andere Art der Anerkennung. In dem Moment fühle ich durchaus etwas Stolz in mir.

Ich erblicke ein Freilaufgehege, in dem sich zwei Ziegen befinden. Davor ist eine Einbuchtung im Zaun, in der drei kleine Apfelbäume stehen. Und davor ist eine Grünfläche, die wie dafür geschaffen ist, dass man dort sein Zelt aufschlägt. Ich bin bis nach Wohlesbostel gekommen. Vom Nachbargrundstück höre ich Geplapper und Gelächter. Ich treffe auf eine Gartenfete. Wem die Grünfläche vor dem Ziegengehege gehöre, frage ich. Dem Geburtstagskind bekomme ich zur Antwort. Hinter dem Grill wird die nächste Frage quittiert. Der Herr, er heißt Rüdiger, nickt, nachdem ich mich erkundigt habe, ob ich auf der Fläche zelten dürfe. Ob ich eine Bratwurst möchte und ein Bier? – Wenn das Zelt steht.

Beeil dich, die Wurst wird kalt, drängt Rüdiger mich zur Eile. Ja, doch. Ich habe gerade wieder über zwanzig Kilometer hinter mich gebracht. Lass mir doch einen Moment. Die Füße. Einfach nur kurz die Ruhe genießen. Kurze Zeit später sitze ich dann inmitten der Feiergesellschaft. Bratwurst in der Hand. Bier vor mir auf dem Tisch. Es prasselt eine Flut an Fragen auf mich ein. Wieso, weshalb, warum? – Wer nicht fragt bleibt dumm …

Einer der Gäste blickt mich dann mit erstaunten Augen an. Beim »Fuchs« hast du geschlafen? Das hat der mitgemacht? Im Zelt? Er käme selbst aus Handeloh. Welch ein Zufall. Der Nächste erzählt mir, dass er bei der »Elbe-Obst« in Apensen arbeiten würde. Dann arbeitest du mit einem meiner Cousins zusammen. Wie er denn heiße. Ja, stimmt! Ein weiteres Gespräch offenbart mir, dass einige der Herren einst bei der Sietaswerft in Hamburg Cranz beschäftigt waren. Bei den Elektrikern. Dann habt ihr mit einer meiner damaligen Klassenkameradinnen zusammengearbeitet. Der Name? Ja. Das ist wahr.

Ein anderer fällt ins Wort. Wenn man noch tiefer schürfen würde, dann wären wir alle miteinander verwandt. Gelächter bricht aus und man prostet sich gegenseitig zu. Kurz, nachdem die Dunkelheit eingebrochen ist, ziehe ich mich schließlich zurück. Zuvor wird mir noch gezeigt, wo ich mich am Morgen waschen könne. Anschließend möchten einige der Gäste noch mein Equipment in Augenschein nehmen. Der Stoff, das Gewicht des Zeltes, allen voran mein Campingstuhl sorgt bei ihnen für Begeisterung.

Laufstrecke: 23,76 km
Zeit: 5:08 h
D.-geschw.: 4,68 km/h

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