Einmal noch Krawall! Dann ist Schluss …
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04.08.2018
Eine Sache, die dieser Tage völlig sinnlos ist. Dennoch versuche ich es. Mich zu Waschen. Eine der Staubschichten, die der Körper aufgenommen hat, herunter bekommen. Ob es mir gelingt? Teilweise. Das Wasser sieht jedenfalls danach aus. Aber es ist eigentlich auch egal. Denn fünf Minuten später sieht man aus, wie vorher. Der Staub ist einfach überall. In jeder Pore des Körpers. In der Nase. Absolut überall.
Heute möchte ich früher auf das Gelände. Es soll ein echter Marathontag werden. Es sind eine Handvoll Gruppen, die ich mir heute gönnen möchte. Und da geht es für mich heute schon um die Mittagszeit los. Zuvor baue ich mein ganzes Geraffel ab. Mein Taxi kommt gegen Mitternacht. Da muss ich alles fertig haben. Bei meinen Nachbarn habe ich Glück. Ich darf meinen Wagen unterstellen, dass er nicht für jedermann ersichtlich ist. Fix bedankt und für den Fall, dass man sich nicht mehr begegnet, alles Gute für die Heimreise gewünscht. Ab unter die Horde gemischt.
Es hat schon etwas, wenn gleich um Highnoon der Bass auf den Solarplexus drückt. So rüttelt die Gruppe Betontod mir die letzte Müdigkeit aus den Gliedern. Aber so schlimm, wie sich der Name der Gruppe anhört, ist es gar nicht. Deutsche Texte vom Saufen. Politische Botschaften werden irgendwo auch transportiert. Wobei mir der Versuch der Spaltung schon wieder auf den Keks geht. Für mich sind die Probleme der Gesellschaft schlecht in Lager zu drücken. Rechts oder links. Die Probleme hier und in Europa, gar in der ganzen Welt sind vielschichtig. Dabei dem ein oder anderen Lager die Schuld für etwas geben. Sicherlich darf man Extremismus, egal, aus welcher Gruppierung, nicht zulassen. Aber dieses an der Oberfläche kratzen und sich auf das schwächste Glied der Kette stürzen, das ist mir persönlich zu blöd. Aber ich möchte nicht zu politisch werden. Eigentlich kann man, egal, welche Meinung man hat, nur verlieren.
Nachdem Betontod seine Gassenhauer ›Hömma Samma Womma Nomma‹ und ›Wir Müssen Aufhören Weniger Zu Trinken‹ rausgeknallt hat, geht es zügig dem Ende entgegen. Ich suche mir das erste Mal am heutigen Tag einen Sitzplatz. Die Füße bringen mich um. Ich bekomme die erste Hälfte von ›Wintersun‹ nur aus der Ferne mit. Die Jungs sind gut. Waren sie wohl einige Jahre verschwunden, ballern sie nun voller Tatendrang auf der Bühne herum. Aber dann kommt das Highlight des Tages. Betontod hat die Leute geweckt und Wintersun hat den Laden in Schwung gebracht.
›Alestorm‹ verwandelt den staubigen Acker in eine riesige Beachparty. Metal mit seemännischen Klängen, alles etwas auf Pirat getrimmt. Schon im Vorwege kann man sehen, dass die Dichte der Shirts der Gruppe massiv zunimmt. Es werden riesige Wasserbälle in die Menge geschubst. Kondome fliegen durch die Luft. Aufblasbare Säbel wedeln herum. Unfassbar viele Crowdsurfer werden Richtung Bühne getragen. Es ist eine wabernde Menge vor mir. Alles lickt irgendwie mit dem Kopf, oder wackelt mit den Beinen. Andere machen beides. Die Stimmung ist unheimlich mitreißend.
Die Jungs auf der Bühne haben aber auch wirklich Bock. Alleine der Frontmann ist eine ›coole Socke‹. Er rennt mit einer Schirmmütze auf der Bühne herum, wo einfach nur ›Oh Wow‹ drauf steht. So muss er gar nicht sagen, wie ihm das hier gefällt. Es steht auf seiner Cap. Auf seinem Shirt ist der Schriftzug ›I Got Lost In The Gay Dolphin‹. Zu deutsch: ›Ich ging verloren im schwulen Delfin‹. Das Witzige ist, dass es einen Souvenirladen gibt, der ›Gay Dolphin‹ heißt. Finden kann man ihn in den US von A in dem Bundesstaat North Carolina. Der Ort heißt Myrtle Beach.Das Gebäude soll recht anspruchsvoll sein, dass es wohl wirklich keine Schwierigkeit darstellt, dass man dort verloren gehen kann.
Da knallt mir etwas in den Rücken. Ein Crowdsurfer. Niemand hat ein Wort der Warnung gesagt. Man bekommt den Typen einfach in den Nacken geschmissen. Keine fünf Minuten später, habe ich den Nächsten im Kreuz. Einen dritten bekomme ich durch Zufall im Vorwege mit, dass ich aus dem Weg gehen kann. Auf einer anderen Ecke sieht man plötzlich nur noch Beine gen Himmel ragen. Da hat man den Kerl einfach fallen gelassen. Damit muss man wohl auch rechnen. Nicht jeder macht den Spaß mit. Da taucht an anderer Stelle ein Weiterer ab. Und dann sehe ich ihn. Der Kerl hat etwa meine Größe und meine Statur. Den versucht die Menge nun also Richtung Bühne zu tragen. Was komisch aussieht. Der Typ wabbelt wie Wackelpeter auf den Zuschauern herum. Und kaum denke ich daran, haben sie ihn fallen gelassen. Körperspannung ist hier das magische Wort. Das erleichtert den Trägern das Prozedere. Aber der Herr liegt auf der Masse, wie weicher Camembert.
Zum Ende der Stunde wird noch die riesige aufblasbare Badewannenente aus dem Bühnenbild in die Menge geschmissen. Die Band bedankt sich in ihrer letzten Ansprache bei jedem Einzelnen für sein Erscheinen. Dann passiert etwas, was ich so auch noch nicht gesehen habe. Es wird ein Lied angespielt. Soweit normal. Aber dann ragen die Mittelfinger in die Luft. Von der Bühne. Auf die Bühne. Dazu spielt das Lied ›Fucked with an Anchor‹. Übersetze ich das auf Deutsch? Ach, ich habe hier in älteren Beiträgen schon so viele Kraftausdrücke verwendet. Wer sich daran geniert … is mir egal. Also zu deutsch heißt das Lied eben ›Gefickt mit einem Anker‹.
Einfach beschrieben geht es in dem Lied darum, dass ein Pirat an Tourette leidet. Naja, dass ihn ein Vodoo-Hexer mit einem Fluch belegt hat. Und er sucht im weiteren Verlauf des Liedes eben diesen Hexer und rammt ihn halt das Ding aus dem Liedtitel in den ›Hulapalu‹. Vom Text her ein Meilenstein der Musikgeschichte. Solch eine tiefgrübdige Geschichte. Wahnsinn. Vor allem reißt ein der Melodieverlauf wie eine Welle mit. Es ist ein Sauflied, halt. Mit viel Gitarrengeschrammel und ganz viele Kraftausdrücken. Herrlich!
Anschließend ziehe ich mich wieder etwas zurück. Bleibe aber auf dem Gelände. Ich lausche den folgenden Klängen halt aus einiger Entfernung, bis die ›Apokalyptischen Reiter‹ die Bühne betreten. Nun wird es nach der wilden Strandfete etwas düsterer. Unterhalten fühle ich mich dennoch. Witzig finde ich das Schlauchbootrennen über die Menschenmenge. Wer zuerst zum Mischturm und zurück kommt hat gewonnen und gewinnt eine Yukkapalme. Nein, Quatsch. Ein Bier oder so. Aber eine Gaudi ist es allemal.
›Steel Panther‹ im Anschluss klemme ich mir größtenteils. Die halten es ähnlich wie Doro vom Vortag. Zwischen den Liedern sind die ewig am Sülzen. Aber nicht, dass es alles so toll hier ist. Nein, die berichten von ihren Sexabenteuern der letzten Tagen und Wochen. Ob es wirklich alles so gewesen ist, darf vielleicht bezweifelt werden. Es geht mir aber auch nicht um die Wahrheit dieses Geplärres. Ich möchte Musik hören. Eines steht jedoch fest. Hätte ich für jedes Wort, welches im Zusammenhang mit Sex steht, einen Euro bekommen, dann wäre ich nach dieser Stunde ein reicher Mann gewesen.
Als vorletzte Gruppe gönne ich mir dann ›Ensiferum‹, wie ›Korpiklaani‹ aus Finnland kommend. Habe ich auf ein ähnliches Spektakel gehofft, wurde ich etwas enttäuscht. Mir fehlt die Geige, oder das Akkordeon in den Stücken. Vielleicht auch ein anderes Instrument. Aber es ist ein wildes Geballer. Verrückt finde ich hier, dass die Dichte an Crowdsurfern hier noch einmal angestiegen ist. Einmal habe ich, so glaube ich, zehn Leute und mehr über die Menge surfen sehen. Abstürze inbegriffen.
›Onkel Tom‹ ist dann der Abschluss. Ein Kerl aus dem Ruhrpott, der völlig einen an der Marmelade hat. Aber auch unheimlich sympathisch rüber kommt, wenn man sich mal einige Interviews von ihm anschaut. Seine Fußballmannschaft trägt zwar dieses widerliche Blau, aber niemand ist perfekt. Und ›Tom‹, so nenne ich ihn jetzt mal ganz dreist, hält es ähnlich wie ich. Necken ist gut uns schön. Alles, was darüber hinaus geht nicht. Vom Torbo … Oh, jetzt muss ich aufpassen, dass man mit den Namen nicht durcheinander kommt. Habe ich mal gelesen, dass, wenn man eigene Geschichten schreibt, muss man aufpassen, welche Namen die vielen Charaktere darin haben. Sind sie sich zu ähnlich, kann es zu Verwechslungen kommen. ›Tom‹, ›Torbo‹, ist nicht gerade vorteilhaft.
Jetzt aber der Torbo. Er war mal auf der ›Metal Cruise‹. Das ist Wacken auf einem Kreuzfahrtschiff. Jeden Tag in einem anderen Hafen und zwischendrin ballern die Gitarren über das Deck. Da war dann auch der ›Tom‹ dabei und hat aufgespielt. Zwischendrin hat er dann nicht ins Glas gespuckt. Es führte so weit, dass er einem Fan auf die Hose gebrochen hat. Verrückt war, dass der Angebrochene sich wie ein kleines Kind darüber gefreut hat. Noch mehr darüber, dass der Brecher sich am nächsten Tag daran erinnern konnte. Das ist ›Onkel Tom‹. Eigentlich der Typ, der mich Mitte, Ende der Neunziger in die Metalmusik reinschnuppern lies. Zu seiner Musik: Er hat all die vielen Sauflieder von ganz früher aufgegriffen und diese mit E-Gitarre und einer grollenden Stimme in ein neues Gewand gehüllt. So ist dann auch die Stimmung im Biergarten äußerst ausgelassen. Leider, wobei das wieder nur mein Empfinden ist, spielt er recht wenig davon. Im Laufe der Zeit hat er mit seiner Band viel eigenes geschrieben. Somit bleibt das, was ich eigentlich hören möchte auf der Strecke.
So verabschiede ich mich etwa bei der Hälfte und hole meinen Handwagen. Ich habe nun noch gute zwei, drei Kilometer zu gehen, ehe ich mein Taxi auf dem Edeka-Parkplatz antreffe. Auf dem Weg dorthin, bleibt im Ort selber eine Dame neben mir stehen. Wo ich denn mit dem Handwagen hinmöchte. Nach Hause, gebe ich zu verstehen. Wo das ist? Bei Hamburg. Entsetzte Augen betrachten mich. UND DA GEHEN SIE JETZT? – Ja …?! Tschüss! Diese Dama habe ich aller Voraussicht nach völlig aus der Bahn geschmissen. Ist mir aber egal. Ich konnte es mir nicht verkneifen, so zu antworten. Dass ich fünfhundert Meter weiter ein Taxi habe, weiß sie ja nicht.
Im Auto selbst sagt man mir, dass ich nach Festival rieche. Man hätte auch gleich so offen sein können und mir mitteilen, dass ich stinke. Aber so ist es etwas freundlicher. Die Heimfahrt wird genutzt, dem Torbo, wie im Vorjahr, zu erzählen, was er alles verpasst hat. Ich will es anfänglich eigentlich nicht. Werde aber darum gebeten. So endet das Wacken Open Air 2018 für mich. Vierzehn Tage sind vorüber. Kaputte Füße inklusive. Ein riesen Erlebnis. Mal schauen, was nächstes Jahr kommt. Dann wird Wacken dreißig. Eigentlich ein MUSS wieder hinzu reisen.

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