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Das Warten hat ein Ende

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01.05.2019

Die Nacht ist kurz gewesen. Fast schon zu kurz. Etwas mehr als drei Stunden sind mir vergönnt geblieben. Es ist ja nicht so, dass ich mit meinen Vorbereitungen im Vorwege nicht acht, neun oder gar zehn Wochen Zeit gehabt hätte. Denn die hatte ich durchaus. Aber es ist halt so, dass ich ein unglaubliches Talent besitze mir selbst im Weg zu stehen. Nun also alles wieder übers Knie gebrochen. Normalerweise habe ich die Touren dann ein paar Stunden nach hinten verschoben. Heute geht es aber nicht. Ich fahre mit der Bahn nach Bayern und die Eisenbahn wartet nicht. Sei da, oder vergiss es. Zumindest bei dieser Fahrkartenform. Im Vorwege habe ich damals im Internet geschaut. Der Preis dort ließ mich die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Da wäre Fliegen günstiger gewesen. Durch den Tipp eines Bekannten habe ich dann den Weg zum Bahnhof nach Buxtehude auf mich genommen. Dort säße einer von der Bahn und dem könnte ich dann mein Anliegen darbringen. Er wäre schließlich der Jenige, der mir dann die passende Fahrkarte verkaufen würde. So war es dann auch. All das hat mich, samt Fahrradkarte gerade einmal die Hälfte gekostet, was das Internet von mir haben wollte. Manchmal ist das Internet eben nicht die beste Lösung.

Um halb sechs in der Früh schleppe ich mein Gepäck in den Keller. Lotte, mein Hund hinter mir. Sie weiß sofort, was Sache ist. Leider kann ich sie nicht mitnehmen. Ich möchte in sechs Etappen aus Bayern nach Hause radeln. Das sind Tagestouren zwischen neunzig und einhundertfünfzig Kilometern. Das kann sie nicht schaffen. Würde ich sie im Anhänger mitnehmen, hätte ich Probleme mit den Entfernungen. Schließlich sind es ach gute zwanzig Kilogramm mehr, die ich ziehen müsste. Nicht zu schaffen. So habe ich im Vorwege im Bekanntenkreis einen Hundesitter für mein Vorhaben gewinnen können. Mittlerweile ist es sowieso gut eingespielt. Es gibt so manche Person, die Lotte hin und wieder gerne mal bespaßen möchte. Der Abschied fällt mir sogar etwas schwerer, als die Kleine das Winseln anfängt. Also setze ich mich mit ihr noch einmal auf das alte Sofa im Keller. Ihr haselnussbraunen Augen blicken ein wenig treudoof, als ich ihr die Situation zu erklären versuche. Ob sie mich versteht? Womöglich nicht. Manchmal hat man als Hundebesitzer den Eindruck, dass sie einen verstehen. Manchmal wiederum aber auch nicht.

Bild 1: Endlich geht es los! – Bild 2: Hamburg Hauptbahnhof – Bild 3: Nürnberg Hauptbahnhof

Ich habe gut eine Stunde Zeit den Bahnhof in Horneburg zu erreichen. Ohne viel Stress absolut machbar. So radel ich dieser Tage durch die allmählich ausklingende Apfelblüte im Alten Land. Kalt ist es heute Morgen. Der Himmel wolkenverhangen. Die Straßen sind wie ausgestorben. Mag daran liegen, dass heute Feiertag ist. Mit einem großen Restzeitpolster stehe ich schließlich auf dem Bahnsteig. Bis Buxtehude, sprich eine Station weiter bringt mich der Metronom. Dann muss ich wegen Gleisarbeiten in die S-Bahn umsteigen. Das geht ja gut los, denke ich. Zum Glück habe ich genug Zeitpuffer zum ICE, der mich nach Nürnberg bringen soll. In der S-Bahn komme ich mit Urlaubern ins Gespräch, die auf dem Weg in die Türkei sind. Besonders der Senior in der Gruppe hat scheinbar Sabbelwasser betrunken. Ohne Punkt und Komma. Zwischendrin gönnt er sich noch nen Knitterfisch. Anfänglich ist das Gespräch ja noch ganz nett, doch mit dem Voranschreiten der Zeit schalte ich mehr und mehr auf Durchzug. Weil der Inhalt der Unterhaltung immer belangloser wird. Ging es anfänglich um ihre und meine Reisepläne, erzählt er irgendwann, dass da Möwen auf dem Brückengeländer sitzen, welches man gerade passiert. Schön …

Im ICE selbst gibt er erst einmal ein kleines Drunter und Drüber. Es sind fünf Radreisende an Bord und alle wollen zeitgleich an ihren Fahrradhalter heran. Ich bleibe einfach etwas auf Abstand und betrachte deren Treiben. »Wollen Sie nicht?«, werde ich gefragt. »Machen sie mal in Ruhe«, sage ich geduldig. Schließlich ist Platz und ich kann meinen Drahtesel in seine Halterung einhängen.

In Berlin steigt eine dreiköpfige Herrengruppe zu. Ebenfalls Radreisende. Sie haben das gleiche Ziel. Nürnberg. Jetzt sind wir zu sechst. Anfänglich hakt es etwas, mit denen ins Gespräch zu kommen. Doch irgendwann drängel ich mich einfach mit rein. So entwickelt sich, so empfinde ich, eine doch recht nette Unterhaltung. Gut, ich höre auch sehr viel zu, was die sich untereinander erzählen. Dass einer von ihnen seine Frau mit Besuch einfach zu Hause gelassen hat, und dass er nun mit seinen Kumpels im Altmühltal herumradeln möchte. Die Stimmung bei ihm zu Hause? Wie mag die wohl sein? Aber es hat mich nicht zu interessieren. Ich sitze nur direkt daneben und fünf Stunden die Finger in die Ohren stecken, sieht auch blöd aus.

Nicht nur das. Gefühlt alle Viertelstunde kloppt er sich ein Brötchen in die Figur. Okay, das ist etwas übertrieben. Es liegt mehr Zeit dazwischen. Es kommt mir halt nur so vor. Irgendwann frage ich neckisch, ob er seinen ganzen Kühlschrank mitgenommen hat. Gelächter bricht in der Gruppe aus. Er schüttelt mit dem Kopf. Ich überspanne den Bogen etwas und necke, bezogen auf den Besuch. »Schatz, viel Spaß mit den Gästen. Ich bin dann mal mit meinen Jungs unterwegs. … Ach, und du musst einkaufen.« Wieder Gelächter.

Was mich etwas wundert, dass die anderen Radreisenden im Zug alle über Apps ihre potenziellen Routen besprechen. Da wird mit Höhenmetern um sich geworfen. Überlegt, ob es machbar für sie ist. – Nichts gegen Planung. Aber wenn ich das auf mich beziehe, dann bin ich wohl in mancher Situation zu »naiv«? Gut, bis auf 2017 bin ich noch nicht durch die Berge geradelt. Aber solch einen Kopf habe ich mir damals nicht gemacht. Ich bin einfach drauf los. Es hat wohl alles seine Vor- und Nachteile …

Aufgrund eines defekten Stellglieds zwischen Leipzig und Erfurt hat der Zug gute zehn Minuten Verspätung. Ich habe auch in Nürnberg zwar ein Zeitpolster fürs Umsteigen. Aber es ist nicht so groß, wie das in Hamburg. Da mein Ticket explizit für den Folgezug ausgestellt ist, werde ich im letzten Abschnitt der Reise etwas nervös. So lassen mich die anderen Radreisenden zuerst aussteigen. Ich bedanke mich und wünsche allen viel Spaß auf ihren Touren. Gleiches wird erwidert.

Um die Kaffeezeit bin ich dann in Neumarkt in der Oberpfalz angekommen. Schnell die wenigen Kilometer nach Pilsach und dann versuchen etwas zum Essen zu bekommen. Ich habe bis hier her nämlich noch gar nichts gehabt. Mir war nicht danach, obgleich der Magen hier und da schon mal deutlich geknurrt hat. Auf dem Weg ins Dorf begegnet mir der Alois in seinem Auto. Sein Blick verrät mir, dass er mit allem gerechnet hat. Nur nicht mit mir. Nicht hier. Und schon gar nicht mit dem Fahrrad. Mit einem breiten Grinsen winke ich ihm nach. In Pilsach selber kann ich mich bei der Feuerwehr einklingen. Man kennt sich halt. Kurzerhand haben sie ein kleines Grillfest aus dem Boden gestampft. Nicht wegen meiner Ankunft. Das war im Vorwege generell deren Planung. Also schnell einige Europas in die Kameradschaftskasse geschmissen und alles ist gut. Beim geselligen Beisammensein lässt man den Tag gemeinsam ausklingen.

Fahrstrecke: 18,24 km
Höhenmeter: 78 m
Zeit: 1:25 h
D.-geschw.: 12,77 km/h

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