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Lauter Nackedeis!

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29.07.2019

Überraschend gut habe ich im Gewächshaus geschlafen. Mit der neuen Luftmatratze gleich noch mal so gut. Von außen höre ich Schritte. Ein schneller Blick auf die Uhr. Ja, es ist Zeit. Ich muss meinen Wagen ja noch »schmücken«. Etwas, das ich eigentlich schon in Cuxhaven machen wollte. Mein Problem: Ich habe das Klebeband vergessen. Auch das habe ich erst gestern von meinem Vater gekommen. So wird der Wagen erst heute in Schale geschmissen.

Einige letzte warme Worte für meine Weiterreise, dann rollt der Zossen weiter Richtung Wacken. Zwischendrin habe ich überlegt, die Route etwas zum Vorjahr zu ändern. Man hat diesen Streckenabschnitt als solches ja schon gesehen. Einfach etwas Abwechslung hineinbringen. Letztendlich entscheide ich mich doch dagegen. Ich bin jetzt den neunten Tag auf den Beinen. Ich möchte eben diese mal etwas hochlegen. Also gibt es keine Experimente und ich laufe die Strecke vom Vorjahr.

Kaum stoße ich wieder an den Deich, höre ich eine Fahrradklingel hinter mir. Ich manövriere mein Gepäck an die Seite und schaue mich um. Ein Herr mit Anhänger passiert mich. Am Leib ein Wacken-Shirt. Am Anhänger ein Schild, auf dem ›Heppenheim‹ steht. Wo ist Heppenheim denn? Ich rufe ihm nach. Das interessiert mich nun wirklich. So bleibt er stehen und wir plaudern etwas. Genannter Ort ist im Bundesland Baden-Württemberg gelegen. Die Stadt Mannheim ist nicht sonderlich weit weg. Von da aus mit dem Fahrrad zum Wacken Open Air? Hast Du einen an der Batterie? Bist Du den Rheinradweg gefahren? Wie lange bist Du unterwegs? Was hast Du in der Zeit an Kilometer gerissen? Eine Lawine an Fragen bricht aus mir heraus. Er sei nicht den direkten Weg gefahren. Sein Weg hat ihn über Rhein- und Main-Radweg, entlang der Saale und schließlich die Elbe entlang geführt. Ich selber kratze mir am Kopf. Wie lange hast Du gebraucht? Er sei jetzt gute drei Wochen unterwegs. Hat in dieser Zeit gute eintausenddreihundert Kilometer in den Beinen. Pro Tag würde er so zwischen siebzig und neunzig Kilometer fahren. Der helle Wahnsinn! Aber jetzt den den direkten Weg nach Wacken? Nein? Er möchte noch bis nach Brunsbüttel fahren, weil er dort noch einiges zu erledigen hätte. Letztendlich möchte er am morgigen Tag ankommen. Ich gebe zu verstehen, dass ich einen Tag später ins Dorf einfallen werde. So wünscht man sich für die jeweilige Weiterreise alles Gute und sieht sich vielleicht auf dem Gelände. Absolut irre!

Bild 1: Der Wagen ist geschmückt – Bild 2: Über Wirtschaftswege Richtung Fockendorf – Bild 3: Bruchlandung …

Bis Dammfleth passiert gewissermaßen gar nichts. Ich setze in einer Art Automatismus einen Fuß vor den anderen. Der Kopf ist ziemlich leer. Der einzige Gedanke, der dominiert ist: Du bist bald da. Du bist bald da. Nicht mehr lange. Weiter. Lauf einfach weiter. Im Vergleich zum Vorjahr ist doch ein deutlicher Unterschied. Die längste Phase, die ich damals gelaufen bin, dauerte sieben Tage. Jetzt ist es der neunte am Stück. Ich habe gelinde gesagt keine Lust mehr. Die Füße schmerzen. Die Blasen, um die ich auch dieses Jahr nicht umhin gekommen bin, machen es nicht einfacher. Zumindest in die Fußsohle als solches nicht eine einzige Blase, wie im Vorjahr. Es sind lauter Kleine an Fußballen und Hacken. Die Zehen haben auch etwas abbekommen. Unterm Strich bin ich aber zufrieden mit den Schuhen, die ich dabei habe. Aber ich schweife ab. Dammfleth.

In einem Garten an die Straße grenzend spielen Kinder um und in ihrem Planschbecken. Nackt. Ganz unbekümmert quietscht und johlt es mir entgegen. Mutti sitzt undweit mit einem Buch in der Hand und beäugt die Situation. Als ich vorbei schiebe, komme ich nicht drum herum. Lauter Nackedeis, hallt es aus meiner Kehle. Aus der Mutter platzt ein Gelächter hervor. Eine Kinderstimme hinter mir brüllt das Wort Nackedeis. Kind müsste man wieder sein. So ganz ungezwungen. Mir huscht ein Grinsen übers Gesicht und ohne anzuhalten, setze ich meinen Weg fort.

In Wilster komme ich noch mal mit Anwohnern ins Gespräch. Die üblichen Fragen werden beantwortet und erklärt. Man wünscht mir viel Glück und Spaß für die letzten Kilometer sowie kommenden Tage. Knappe sechzehn Kilometer liegen nun noch vor mir. Schnell noch einmal in den Supermarkt und letzte wichtige Dinge gekauft. Der Gedanke, dass ich bald mein Zelt aufbauen kann lässt mich euphorisch werden. Dann werde ich einen Tag Pause machen. Die Füße wenigstens einmal im Vorwege zur Ruhe kommen lassen. Ob das nun intelligent ist, so zehn Kilometer vor meinem Ziel ist mir egal. Auf dem Festivalgelände werde ich auch genug Meter zurücklegen. Dann zumindest jetzt noch einmal faul sein. Doch zuvor passiere ich noch eine abgestürzte Hexe.

Lother schaut mit großen Augen, als ich um die Ecke geschoben komme. Ich sei dieses Jahr früh dran. Ja, einen Tag als letztes Jahr. Es war anfänglich nicht so geplant, hat sich jetzt aber so ergeben. Ich wisse ja, wo mein Zelt stehen dürfe. Ich nicke und mache mich an den Aufbau. Zwischendrin ergibt sich der ein oder andere kurze Plausch. Dann ist es endlich alles fertig. Füße hoch ist jetzt angesagt. Mittwoch geht es weiter. Die finalen Kilometer. Dann heißt es Wacken 2019! Dreißig Jahre Krawall!

Laufstrecke: 24,74 km
Höhenmeter: 9 m
Zeit: 4:54 h
D.-geschw.: 5,03 km/h

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