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Krawall und Remmidemmi!

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01.08.2019

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass Menschen ekelig sein können? Nicht so ekelig ekelig, dass man sich übergeben möchte. Mehr verstörend ekelig. Nein, auch nicht wirklich. Mehr zum Schmunzeln ekelig. Nein, irgendwie auch nicht. Und wenn ich gleich noch weiter erklären möchte, in welche Richtung Menschen ekelig sein können, habe ich meine Leserschaft womöglich völlig verwirrt. Am Vorabend hat man ein Quartett hervor geholt. Ein »Scheiße« Quartett. Ich habe mir die Karten nicht angesehen. Jedenfalls werden am heutigen Tag die Haufen, die Einjeder produziert mit den Bezeichnungen der Karten versehen. Mal erzeugt es Gelächter, dann aber auch wieder Naserümpfen und entgleiste Gesichtszüge. Letztendlich entgleitet das Thema derart, dass man in der Nahrungsmittelproduktion landet und gewisse Dinge menschlicher Absonderungen dort einfließen lassen möchte. Jetzt wisst ihr, was ich mit ekelig meine. Ganz gruselig.

Unterdessen kommen an diesem Donnerstagmorgen immer mehr Menschen aus ihren Zelten hervor gekrabbelt. Und plötzlich ist harsches Gepöbel um uns herum. Irgendwer ist auf die absonderliche Idee gekommen Techno-Musik abzuspielen. Zum Glück hat ein anderer unweit von uns eine stärkere Anlage und ballert das rebellische Verhalten irgendwelcher Witzbolde gnadenlos nieder. Endergebnis: Nun sind sie auch alle wach auf »V«. Nebenan, auf den übrigen alphabetisierten Schlafplätzen natürlich auch. Fast.

Eine regelrechte Völkerwanderung setzt ein. Alle möchten zu den sanitären Anlagen. Es ist entspannend zuzusehen. Diesen Stress gibt es dieses Jahr nicht für mich. Die Gruppe, in der ich über Björn Anschluss gefunden habe, hat ein eigenes Lokus dabei. Nicht mitgebracht, sondern gebucht. Man hat Summe »X« gezahlt und hat dann seinen eigenen Thron. Nicht wie die Anderen anstellen. Nicht eine halbe Stunde vorher die Planung haben zu müssen, ich gehe einfach mal los. Wenn ich da bin, könnte es sein, dass ich dann muss. Das ist dieses Jahr nicht der Fall.

So geht der Vormittag einfach dahin. Einige gehen ins Dorf zum Frühstücken. Andere bleiben bei den Zelten. Es wird ein Blick auf die ›Running Order‹ geworfen. Der Plan, der verrät, zu welcher Zeit, welche Band, auf welcher Bühne zu sehen ist. Gedanklich macht man sich schon mal einen gewissen Bewegungsplan über das Gelände. Über einhundert Bands bei neun Bühnen. Man kommt dieser Tage schon gewaltig auf Kilometer. Zum Glück bin ich im Vorwege nicht so viel gelaufen. *Hust*

Kaum ist die Mittagszeit vorbei und der frühe Nachmittag in den Startlöchern, begebe ich mich auf das Gelände. Ich habe so richtig Bock auf Krach. Klatschen muss das, habe im Vorwege irgendwo aufgeschnappt. Also hin zur ersten Bühne. Dort spielt eine Gruppe auf, dass einem vor Lärm geradewegs die Ohren schlackern.

›Versengold‹!

Wie im Vorjahr der Hinweis: Die Beiträge zu den Bands sollen nicht als Kritik dienen. Ich schreibe hier lediglich über meine persönlichen Eindrücke. Empfindungen können voneinander abweichen und nicht jeder erlebt den Moment gleich. Nur so am Rande. Auch versuche ich hier und dort etwas zu erklären, da nicht jeder meiner Leser unbedingt Heavy Metal hört. Einiges beruht auf Halbwissen. Was ich aber hoffentlich nicht zu sehr vergeige.

›Versengold‹: Eine Gruppe, die in der Folk- und Mittelalterszene angesiedelt ist. Nichts mit E-Gitarren-Geballere. Ganz harmonisch. Ich bin über die Videoplattform YouTube auf sie aufmerksam geworden. Und als ich sah, dass sie nach Wacken kommen, habe ich gedacht, ich gebe ihnen mal eine Chance. So als Einstieg. Krawall werde ich am heutigen Tag noch genug auf die Ohren bekommen. Also warum nicht etwas ruhiger anfangen? Ein Problem gibt es jedoch, als das erste Lied aufgespielt wird. Der Lärm drum herum. Man hört die Jungs ganz schlecht. Die Akustik ist grausam. Zwei Bühnen weiter spiel ›Skyline‹. Die hört man besser. Hier, wo ich vor Versengold stehe, höre ich die Nachbarbühne besser. Es ist das gleiche Problem, das ›Otto‹ im Vorjahr hatte. Nebenan spielte ›In Flames‹. Da brauch man kein Experte sein, um zu erkennen, wer den Wettstreit um das lautere Konzert gewinnt. So verlasse ich die Bühne um ›Versengold‹ und schaue bei ihren Nachbarn vorbei. Lange bleibe ich auch dort nicht. Man stellt für einen Gastauftritt ›Doro Pesch‹ vor. Wenn die wieder mehr quatscht als singt, kann es nur Mist werden. Nichts wie weg.

Ich schlendere etwas zwischen den zahllosen Buden umher. In einiger Entfernung entdecke ich sogar eine alte Schulkollegin. Den Kontakt meide ich aber. Sie lebt noch immer in der Zeit von damals und hat sich zwischenmenschlich diesbezüglich nicht weiter entwickelt. Blöde Kommentare möchte ich mir ersparen. Ich könnte ihr zwar das Wochenende verhageln, so von wegen, dass ich auch hier bin. Aber da ist dieses Ding mit dem Weiterentwickeln. Ich gehe einfach weiter. Und schließlich enden die ersten zwei Konzerte um ›Versengold‹ und ›Skyline‹.

Direkt im Anschluss kommt ›Beyond The Black‹. Eine deutsche Symphonic-Metal-Band, die Elemente aus dem Orchestralen sowie dem Piano in ihre Lieder einfließen lassen. Frontsängerin ist hier Jennifer Haben. Was ich an der Stelle komisch finde, einige Tage hatte ich einen Platz in ihrer Verfolgerliste auf Instagram. Warum und wie das gekommen ist? Keine Ahnung. Für den Moment war ich bolle-stolz. Mittlerweile hat sie mich wieder rausgeschmissen.
Das Konzert selber ist gut. Wirklich gut. Die Menge geht mit. Es wird etwas mit dem Publikum interagiert. Nicht zu viel. Eben gerade so viel, dass die Leute nicht genervt wirken. Dazwischen knallt und ballert es mitreißenderweise. Das junge Mädel auf der Bühne strahlt über beide Wangen und hat, wie der Rest der Gruppe ihren Spaß in dieser Stunde. Wenn man nun mal bedenkt, dass Jennifer Haben aus einem Castingwettbewerb von Super RTL hervor gegangen ist und in einer vierköpfigen Mädchengruppe Pop gesungen hat, hat sie einen gewaltigen Schritt gemacht. Die Gruppe vor mir macht absolut Laune. Zum krönenden Abschied kommt das Lied ›Hallelujah‹! Kurz: Geil!

Anschließend verflacht meine Aufmerksamkeit doch recht stark. Ich bleibe zwar im Bühnenbereich, setze mich aber im hinteren Bereich zwischen vielen anderen Besuchern, weil ewig stehen nicht das Wahre ist. Ich weiß so recht auch nicht, wer da vor mir spielt. Meine Gedanken dümpeln etwas in der Gegend herum und die Musik krawallt im Hintergrund. Ein Herr reißt mich aus meinem leicht benebelten Zustand. Er hockt einige Meter vor mir und winkt mir zu. Im ersten Moment habe ich null Ahnung, was da vor sich geht. Als Blick und Kopf wieder auf Empfang ist, entdecke ich neben ihm und er selber, wohl bekannte Gesichter. Wo wir wieder bei zufälligen Treffen klappen. Geplantes ist schwer bis unmöglich. Wilko mit seiner Clique. Ich durfte sie 2017 kennenlernen. Letztes Jahr ist man sich schon durch Zufall wieder über den Weg gelaufen. Dass sich das auch dieses Jahr so ereignet: Verrückt! So sitzen wir auf dem Boden und Quatschen über dies und jenes. Die Gruppen auf der Bühne kommen und gehen. Die Getränkebecher in unseren Händen kommen voll und gehen leer. – Was eine Umschreibung! Knaller!

Wie dem auch sei. Bevor die Gruppe ›Hammerfall‹ kommt, entdecke ich einige Meter neben uns einen kräftig gebauten Herren. Oberkörper frei und den Sonnenhut im Gesicht liegt er zu Füßen seiner Leute. Der Bauch ragt in den Himmel hinein und ganz oben thront sein Bauchnabel. Dieses Bild ist so einladend für Unfug. Ich schüttel leicht meinen leeren Becher und höre ein leises Klappern. Ich blicke hinein. Da ist ja noch ein Eiswürfel. He he he … mache ich das? Ich gestikuliere Wilko und Freunden zu. Alle nicken. Komisch. Warum nur? Da bekommen die Kollegen des dösenden Herren mit, was wir vorhaben. Mit einem schelmischen Grinsen gebe ich ihnen den Eiwürfel. Plutsch, ist das kalte Dingen in der Bauchnabelhöhle verschwunden. Ein gewaltiger Schreck schießt dem Typ durch die Glieder. Er reißt sich den Hut vom Gesicht und setzt sich wuchtig auf. Um ihn herum kullern Lachtränen über die Wangen.

Allmälich muss aber wieder Leben in meine Knochen kommen. Laut Wilko und Clique ist ›Hammerfall‹ eine gute Band, der man mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Ja, dann will ich mal aufpassen. – Ich kann mir nicht helfen. Hüpft da ein Verwandter von Otto Waalkes auf der Bühne umher? Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Also, auf dieser Entfernung. Tage später soll ich vom Torbo erfahren, dass der vermeintliche Verwandte von Otto ›Oscar Dronjak‹ heißt. Er wechselt immer mal zwischen einer Gitarre, wie man sie optisch kennt und einer, die aussieht wie ein riesiger nordischer Hammer. Die Show der Band ist echt gut. Auch sie gehen auf das Publikum ein und interagieren hin und wieder. Ansonsten steht die Musik im Vordergrund. Weiter vorne hüpft und wabert die Menge. Da hat jemand Spaß.

›Airbourne‹ läuft dann wieder mehr im Hintergrund. Eigentlich sind die Jungs auf der Bühne mehr damit beschäftigt, Bier zu saufen. Man sitzt wieder auf seinen vier Buchstaben und quatscht über dies und jenes. Da ist der Krawall von der Band eine schöne Untermalung. Schließlich kommt das, worauf ein sehr großer Teil am heutigen Tag gewartet hat. ›Sabaton‹! Sie sollen zwei Stunden spielen. Auf zwei Bühnen. Wie das gehen soll? Die Leute, mit denen ich im Vorwege ins Gespräch komme, spekulieren viel in den Raum hinein. Wie das Bühnenbild aussehen soll und so weiter. Auch wird im schon viel genölt. Dass der Frontmann wieder sehr viel quatschen und Bier saufen würde. Aber eben über die Gruppe ›Sabaton‹.

Gegründet wurde sie im Jahre 1999. Somit hat die Band in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Das Wacken Festival wird dieses Jahr dreißig. So langsam kann man erahnen, warum die Gruppe zwei Stunden Spielzeit bekommen hat. Die Thematik, mit der sich die Band auseinandersetzt, geht in die militärhistorischen Konflikte unserer Menschheitsgeschichte. Größtenteils drehen sich die Inhalte der Lieder um Ereignisse im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Aber auch die Kreuzzüge und die Hexenverfolgung werden thematisiert. Das Bühnenbild stellt, laut Erzählungen der Leute im Umkreis von mir ein Panzer und Sandsäcke dar. Spekulationen um das Bild der zweiten Bühne sind weit gesät. Man vermutet ein Kriegsschiff. Nicht lange vor dem Festival hat die Band einen Titel herausgebracht, der sich mit der ›Bismarck‹ beschäftigt. Demnach wäre es naheliegend. Es kommt aber alles ganz anders.

Der Frontmann, Joakim Brodén, so heißt er, quatscht gar nicht so viel. Und das was er da so erzählt, hat durchaus humoristische Züge. Man würde in diesen zwei Stunden etwas alte Scheiße spielen und man würde neue Scheiße spielen. Und natürlich würde man den Leuten Scheiße spielen. Auch die Biersauferei ist faktisch nicht vorhanden. Ein Bier auf der Bühne in zwei Stunden, kann man jetzt nicht als störend empfinden. Dazwischen reisen wir durch die Weltkonflikte vergangener Zeit. Ein Chor untermalt so manches Lied. Sie tragen Uniformen der damaligen Armeen. Die Show ist unglaublich gut. Es knallt. Es ballert. Es schrammelt. Es brüllt. ›The Lost Batallion‹ ist für mich persönlich eines der Highlights in dieser ersten Stunde. Darin geht es um von deutschen Streitkräften eingekesselten Soldaten in den Wäldern der Argonne. Mit dem Chor und dem ganzen Drum und Dran, echt gut umgesetzt.

Und dann fällt der Vorhang der zweiten Bühne. Darauf sitzt ein Typ, der mir nach gewisser Zeit auf den Keks geht. Aber nicht nur mir. Er quasselt halt einen langen Text herunter. Was mir persönlich erst im Laufe seiner Erzählung auffällt, ist, dass dieser Herr ein ehemaliges Mitglied der Band ist. Ebenso, wie alle Anderen langsam auf diese Bühne kommen. Zur Erinnerung: Sabaton hat zwanzigjähriges Jubiläum. Man hat für diese Show die Ehemaligen mit ins Boot geholt. Nun knallt und ballert es von zwei Bühnen auf die Zuschauer herab. Zeitgleich. Geil! So erhält dieser Tag einen Abschluss, der sich gewaschen hat. Letztendlich gehe ich hochzufrieden am Ende zu meinem Zelt zurück. Ich bin gespannt, was es Morgen zu sehen und hören gibt.

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