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Projekt in sechs Tagen nach Hannover Garbsen: Gescheitert!

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15.07.2020

Fast neun Stunden habe ich geschlafen. Wenn ich so resümiere, war ich am Vortag echt groggy. Es ist noch nicht mal acht, als ich die Straße wieder betrete. Ein gutes Zeichen. Ich könnte heute dreißig Kilometer und mehr schaffen. Garbsen am Donnerstag erreichen ist das Ziel. Es würde mir einen zusätzlichen Ruhetag einbringen. Zumindest von der regulären Planung her. Wobei, was heißt hier Plan? Ich habe null Ahnung. Ich habe null Gefühl dafür, wie und wann ich das finale Ziel dieser Reise erreichen werde. Es kann noch so viel schief laufen. Es kann so vieles gut ausgehen. Gedanklich schwebe ich im leeren Raum und doch denke ich unentwegt daran, wann ich was, wie, wo erreichen kann. Eigentlich bekloppt. Das »den Moment« genießen, habe ich irgendwie noch nicht so ganz raus. Gewissermaßen. Gewissermaßen dann aber auch doch. Es ist eigenartig und schwer zu beschreiben. Hund müsste man sein. Lotte läuft voran und erfreut sich daran, dass sie einfach nur dabei ist. Sammelt Kletten und versucht die Mäuse im Seitenstreifen zu erwischen.

Das Quietschen und Knarzen an meiner Zugdeichsel wird unterdessen immer lauter und beginnt mich zu nerven. Ich bräuchte etwas Schmierstoff. Wie der Zufall es will, taucht auf der rechten Seite ein Betrieb für Landmaschinen auf. Ich also auf den Hof gerollt. Das Dumme: Der Laden hat noch geschlossen. Um halb zehn öffnet der erst die Werkstatttore. Welche Werkstatt öffnet so spät? Ein Vorteil: Landwirtschaftliche Betriebe haben viel Gerät auf dem Hof stehen. Gerät mit Schmiernippeln. Ich muss jetzt nur einen Schmierpunkt finden, wo genügend Fett ausgetreten ist, damit ich meine Deichsel geräuscharm machen kann. Wenn mich jetzt jemand sehen würde, wie ich auf dem Firmengelände zwischen den Maschinen umherklettere. Es würde nach unangenehmen Fragen schreien. Endlich habe ich einen Fettplacken gefunden. Die Deichsel eilig zerlegt, zusammengebaut und geschmiert. Resultat: Quietschen. Das war nicht der richtige Punkt. Ich habe aber eine Ahnung, was es sein kann. So viele Stellen hat mein Wagen nicht. Ich ziehe jetzt aber erst einmal weiter. Nicht, dass doch noch jemand kommt.

Bild 1: Pause in Walsrode – Bild 2: Ich habe dazu so viele Fragen – Bild 3: Ende der Etappe in Eickeloh

Vor Walsrode suche ich dann den Supermarkt auf. An Tag fünf nehme ich das erste Mal Geld in die Hand. Die Tage zuvor bin ich mit meinen Vorräten ausgekommen. Gerade als ich den Markt verlasse, fängt es wieder an zu regnen. So hole ich mir noch ein Brötchen beim Bäcker und setze mich unter das Vordach. Ein Fahrschulauto kommt auf den Parkplatz. Heraus steigt ein wütender junger Herr. Prüfung nicht bestanden. So scheint es. Kurze Zeit später komme ich mit dem Fahrlehrer und dem Prüfer ins Gespräch. Dann steigt ein anderer Prüfling in den Wagen. Zwei Damen, die eine Weile neben mir saßen, erkundigen sich nach meiner Reise. Ich beantworte bereitwillig ihre Fragen. Als der Regen dann endlich aufhört, setze ich meinen Weg fort. Zwei Stunden habe ich unter dem Dach gesessen. Dreißig Kilometer können jetzt ein Problem werden. Müssen noch nicht. Können aber.

Habe ich am Vortag durch den Weg über den Bahndamm einen absolut schönen Abschnitt erwischt, ist hinter Walsrode pure Langeweile angesagt. Bis Hodenhagen laufe ich an einer viel befahrenen Straße entlang. Keine Bank. Kein nichts. Gar nichts! Einer Handvoll Fahrradfahrer begegne ich zwar und mit ein, zwei komme ich auch kurz ins Gespräch. Der Rest ist aber absolut ätzend. So kommt es, dass ich mich in Hodenhagen einfach an eine Hauswand setze, um mit Lotte zu verschnaufen. Da kommen ein jüngerer Herr und dessen Mutter um die Ecke. Man hätte mich unterwegs gesehen und wolle dem Hund etwas Gutes tun. Man drückt mir Hundefutter in die Hand. Ähnlich, wie der Obolus gestern, total verrückt. Ich berichte etwas von meiner Tour und bedanke mich für die milde Gabe.

Nichtmal zwei Kilometer später stehe ich unter Bäumen. Ein weiterer Schauer zieht vorüber. Dennoch liege ich für dreißig Kilometer gut im Rennen. Es ist kurz nach fünf. In den letzten Tagen hat sich eine gewisse Regel eingestellt. Was ich bis fünf Uhr habe plus zehn Kilometer.

In Eickeloh fällt mir dann eine Tisch-Bank-Kombination ins Auge. Endlich! Endlich, endlich! Pause! Ich verfalle regelrecht in Euphorie. Ich laufe die Auffahrt hoch und klingel an der Haustür. Ein junger Knabe macht auf. Kurz die Umstände erklärt und ich kann ein Stückchen Himmel mein Eigen nennen. Zeitlich begrenzt zwar, aber das ist mir sowas von egal. Michel heißt der Junge und meint es wirklich gut mit mir. Kaum sitze ich, habe ich ein Bier vor mir stehen. Der reinste Luxus! Da kommen eine Gruppe Herren mit ihren Mofas auf den Hof geknattert. So lerne ich Walter, den Vater von Michel und dessen Freunde kennen. Bei Wurstbrötchen und Hopfengetränk berichte ich den Tageshergang, warum ich hier nun sitze. Da drückt Walter mir ein zweites Bier in die Hand. Man quatscht, lacht und plaudert. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Es folgt ein drittes Bier. Die zehn zusätzlichen Kilometer kann ich mir aber sowas von in die nicht vorhandenen Haare schmieren. Hannover Garbsen in sechs Tagen zu erreichen auch. Dafür erlebe ich einen unvergesslichen Abend. Am Ende werde ich im Keller einquartiert und Frauke, Walters Frau, wäscht mir sogar meine bisher angesammelte Schmutzwäsche. Total genial!

Laufstrecke: 24,44 km
Höhenmeter: 28 m
Zeit: 4:40 h
D.-geschw.: 5,22 km/h
Schritte: 31426

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3 Comments »

  1. Hey Mütze,
    toll, was du dir da vorgenommen hast – Respekt! Ich wünsche dir für deinen Weg mehr Gelassenheit was die zu schaffenden Kilometer betrifft. Genieße den Moment!
    Gruß aus Südtirol von einer Radlerin,
    Margit

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    • Danke vielmals für die Netten Worte! Sorry, dass ich erst so spät antworte. Ja, der Kopf ist irgendwie ein kleines Problem. Aber nach hundertfachem hin und her gerechne, sollte ich null Probleme haben mein Ziel rechtzeitig zu erreichen. 😉
      Gruß Mütze!

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