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Unverhofft kommt oft

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21.07.2020

Da höre ich doch eine Kinderstimme? Fahrradgeklapper? Eine Frauenstimme? Habe ich so lange geschlafen? Vor lauter Schreck blicke ich auf mein Telefon. Es ist knapp eine Stunde nach Mitternacht. Was zur Hölle?! Das bleibt die einzige Störung in dieser Nacht. Gute fünf Stunden später krabbel ich motiviert aus meinem Schlafsack. Vorm Zelt geht mein Blick in die Runde. Die Sonne, wie sie sich langsam über die Baumwipfel schiebt. Das Getreide, dass weit am Berghang von ihr beleuchtet wird und in einem goldgelb erstrahlt. Die Melodien der Vögel. Es entschleunigt meine Motivation augenblicklich. Ich bin hier so weit ab vom Schuss. Mach langsam. Es ist Zeit genug vorhanden. So ziehe ich meinen Wagen aus dem Vorzelt. Drehe den Deckel auf links und nutze das als Tischplatte. Der Campingstuhl herausgeholt und aufgebaut. Brötchen, Butter, Wurst, Kakao: Frühstück! Das habe ich so auch noch nie gemacht. Habe ich sonst Bank und Tisch gesucht. So ist es aber auch nicht zu verachten. Lotte liegt im Gras und döst. Läst dabei einen dieser langgezogenen Atemzüge von sich. Wo man als Herrchen denkt, dass der Hund das auch soooo schwer hat. Ab und an hebt sie leicht den Kopf, blinzelt einen an und macht leise Schmatzlaute. Dem Hund geht es gut. Das ganz sicher.

Während ich nun als auf dem Feldweg sitze, hält ein Radler neben mir an. Es entsteht ein netter Plausch. Ob ich das häufiger mache, dass ich mich »wild« in die Landschaft baue und zelte. Worauf ich zu verstehen gebe, dass ich es eigentlich nur mache, wenn es keine andere Lösung gibt. Es folgen Fragen zu meinem Projekt. Gegenfragen, was er, der Herr, so früh mit dem Fahrrad hier macht. Nach einigen Minuten trennen wir uns wieder und ich räume meinen Krempel weiter zusammen.

Bild 1: Schlafen am Wegesrand – Bild 2: Der Kirchturm von Gronau zwischen den Bäumen – Bild 3: Die Berge kommen immer näher – Bild 4: Weiter über einen Schotterweg

Als ich dann einige hundert Meter von meinem Schlafsack fortgezogen bin, entdecke ich, wie dicht ich am Vorabend eigentlich schon an Gronau herangekommen war. Noch dazu, dass direkt hier die Leine verläuft. Immer wieder sind in der Uferböschung kleine und größere Aussparungen, wo man mit seinem Zelt idyllisch hätte liegen können. Um ehrlich zu sein: Ein kleines bisschen ärgert es mich, dass ich nicht gestern nicht doch noch den einen oder anderen Meter gelaufen bin. Aber es hätte ja auch ganz anders kommen können, dass nach dem Feldweg gar nichts gefunden hätte. Also bin ich nach kurzer innerlicher Diskussion mit dem zufrieden, wie es gekommen ist. Ändern kann ich es jetzt eh nicht mehr.

Nachdem ich in Gronau bei meiner Suche nach einem Supermarkt etwas durch die Stadt geirrt bin, geht es dann weiter Richtung Göttingen. Ein schmaler Weg führt von der Stadt weg. Kaum breiter, als ein herkömmlicher Fahrradweg am Straßenrand. Maisfelder, soweit man gucken kann. Getreide sowieso, Kohlrabi und Futterwiesen. In einiger Entfernung steigen Staubwolken auf, die von den großen Mähdreschern verursacht werden, die vereinzelt über die Äcker fahren. Krabbelkäfer huschen über den Weg. Feuerwanzen. Schmetterlinge tanzen vorbei. Es ist abermals ein schönes Laufen.

Sonst passiert relativ wenig. Sicher, es erkundigt sich der ein oder andere nach meiner Reise. Das hat es dieser Tage häufiger gegeben. Bewegung kommt erst in Brüggen in die Sache. Ich laufe gerade an einer Werkstatt vorbei und müsste mal meine Wasserflaschen auffüllen. So mache ich Bekanntschaft mit Kevin, dem Chef und seinem Angestellten. Die sind gerade mitten in einer Beratungspause und stehen vor einem völlig zerlegten Land Rover. Es steht nur noch der Rahmen vor ihnen. Alles andere liegt im näheren Umkreis. Eine komplett Restauration. Es müssen neue Traversen gebaut und eingeschweißt, alles gesandstrahlt, neu lackiert werden, und, und, und. Schon Wahnsinn, bei dem Klumpen Rost, der da vor ihnen steht. Man kredenzt mir noch ein Bierchen und mit gefüllten Wasserflaschen setze ich schließlich meinen Weg fort.

Bei Alfeld, viel mehr zum Ortsausgang entdecke ich wieder einen Schausteller, der versucht aus dieser Situation das Beste zu machen. Er ist gut besucht, das steht fest. Er hat, im Gegensatz zu den Jungs in Hannover direkt am Leineufer aufgebaut. Es gibt Liegestühle direkt am Fluss. Mich interessiert jedoch nur das leibliche Wohl. Also eine Wurst im Brötchen und Pommes bestellt. Die haben hier Käsesoße. Ist ja cool. Vergiss die Majonäse ich möchte Käse zu meinen salzigen Kartoffelstangen. Kaum habe ich einen Platz eingenommen, steht ein Herr neben mir. Er stellt sich mir als Thomas Jahns vor und würde bei der örtlichen Zeitung arbeiten. Von weiteren Gästen sei er auf mich aufmerksam gemacht worden. Es folgt ein längeres Gespräch, bei dem mein Essen leider völlig auf der Strecke bleibt. Egal. Kalte Wurst mit Pommes, ein Opfer, das ich gerne erbringe. Ich bekomme einen Artikel in der Alfelder Tageszeitung. Schnell noch ein, zwei Fotos gemacht, einige meiner weiteren Aufnahmen via Nachrichtendienst hin und her geschickt und das Rahmengerüst steht.

Bild 1 & 2: Auf dem Weg nach Alfeld – Bild 3: Nicht mehr weit bis Föhrste

Später lerne ich dann auch die Personen kennen, die dafür gesorgt haben, dass ich interviewt werde. Es sind Heiko und Margret. Ein älteres Ehepaar aus Förste. Von ihnen werde ich gefragt, wie mein weiterer Tagesablauf aussehen würde. Ich gebe zu verstehen, dass ich mich allmählich um einen Schlafplatz bemühen müsste. Bekomme den Tipp, dass ich eben diesem Förste ein größerer Landwirt lebe, bei dem es sicher nicht das Problem wäre in der Scheune oder Ähnliches zu nächtigen. Das ist doch ein Wort. Ja, dann den Landwirt aufgesucht. Denkste. Margret hat Einsprüche. Ihr Garten sei doch auch groß genug. Ich könne auch bei ihnen schlafen. Ja, dann Planänderung. Schnell eine Wegbeschreibung mitbekommen und die Zwei radeln davon.

Knappe zwanzig Minuten später stehe ich in Förste vor ihrer Gartenpforte. Als erstes gibt es ein kühles Bier. Gefolgt von einer längeren Plauderei. Als ich meine, dass ich langsam mein Zelt aufbauen müsse, gibt es von Margret wieder Einspruch. Ich bekomme im Keller eine Klappliege. Mit richtigem Kissen und Decke. Nichts im Schlafsack schlafen. Sogar duschen darf ich. Verrückt, wie ein längeres Gespräch einem Tür und Tor öffnet. Landwirt, Zelt im Garten, Duschen und Liege im Keller. Manchmal braucht der Mensch eben Glück. So fallen Lotte und mir kurz vor Mitternacht dann die Augen zu. Wie wohl der Artikel in der Zeitung wird?

Laufstrecke: 23,69 km
Höhenmeter: 52 m
Zeit: 4:37 h
D.-geschw.: 5,12 km/h
Schritte: 31526

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