Der Boden ist Lava! – Etappenabbruch!
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01.08.2020
Am Morgen bekomme ich Besuch. Ein Herr vom Angelverein macht eine Stippvisite. Ich berichte ihm von den nächtlichen Vorkommnissen. Die Jugend sei hier ein kleines Problem. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass das Boot losgebunden und auf den See gestoßen worden wäre. Wir stehen am Ufer und beobachten die Wasservögel auf der anderen Seite. Mehrere Reiher stehen im seichten Wasser. Enten, Blesshühner und Gänse paddeln hin und her. Die Sonne zwischen den Zweigen der Bäume, der leichte Wind. Hin und wieder entstehen Wellenringe auf der Wasseroberfläche. Fische, die etwas Fressbares abgreifen. Ich könnte hier noch Stunden sitzen und das Szenario beobachten. Es trägt meine Gedanken in eine völlig andere Welt. Eine Welt der Zufriedenheit.
Das es auch anders geht, sehe ich wenige Kilometer später. Zwischen Barchfeld und Immelborn ist ein Campingplatz, der völlig aus den Nähten platzt. Hier ist die Hölle los. Die Autos können fast nur mit Schrittgeschwindigkeit hier durchfahren. Überall laufen Leute auf der Straße. Da ist es nicht ganz so schlimm, dass Lotte einen Abstecher auf diese Macht. Dennoch jagt es mir einen gehörigen Schreck in die Glieder.
Heute ist es noch einmal heißer, als gestern. Lotte hat sichtlich Probleme. Ich auch. Es macht heute überhaupt keinen Spaß. Man quält sich mehr vorwärts, als dass man die heutige Etappe genießen kann. Nein, es geht nicht mehr. Wir brauchen eine Bank. Schatten. Wenig später werden wir fündig und bewegen und fast zwei Stunden nicht. Lotte schläft und ich beobachte die Leute, die vorbei radeln. Eine Gruppe Kinder ist auch darunter. Plötzlich ein Krachen, ein Scheppern und Geschrei. Eines der Mädchen hat einen ungünstigen Winkel ihrer Reifen zum Kantstein bekommen und hat einen gewaltigen Adler hingelegt. Ihre Freunde sind schnell da und ich bin für den Moment am Überlegen. Soll ich wirklich hingehen? Besser wäre es. Andere Fahrradfahrer radeln einfach weiter. Nein, es ist besser, wenn sich ein Erwachsener mal kurz einschaltet. Vielleicht ist es schlimmer, als es von hier aussieht, und laufe ich hinüber. Bis auf ein paar Schürfwunden an Knien und Handballen ist nichts passiert. Ich frage, wie weit sie noch müssen. Man deutet die Straße hinunter. Wenige hundert Meter noch. Okay, dann kann man sie dort verarzten. Was mir in diesem Moment auffällt, ich habe gar kein Erste-Hilfe-Kasten dabei. Auf anderen Reisen war immer einer im Gepäck. Hier habe ich ihn vergessen. Es muss sich erst ein Kind hinmaulen, dass es mir auffällt. Clever …

Lotte und ich schleppen uns weiter. Eine wenige befahrene Straße ohne Radweg bringt uns nach Neuhof. Direkt am Ortseingang ist ein Wirtshaus mit großem Außenbereich. Pause! Viel los ist hier nicht gerade. Fahrräder sind aber massig unterwegs. Soll mir egal sein. So kann ich mir den besten Schattenplatz aussuchen. Der Wirt ist mir gleich sympathisch. Seine sarkastische Kodderschnauze ist großartig. Eskalieren tut die Situation, als ein weiterer Gast eintrifft. Ich habe nichts gegen Menschen, die viel reden. Ich kann selbst quatschen, wie ein Wasserfall. Kommt auf das Thema an. Aber dieser Herr hebt das Ganze auf ein neues Level. Ich weiß nicht, ob er zwischendrin atmet. Er quatscht und quatscht und quatscht. Das geht so weit, dass der Wirt ihn irgendwann anpampt, er solle mal für fünf Minuten die Klappe halten. Wo ich in dem Moment denke, dass es so aggressiv nicht formuliert hätte werden müssen. Einen Augenblick später verstehe ich den Tonfall aber schon. Die fünf Minuten können nicht eingehalten werden. Ich verspüre das dringende Verlangen, meinen Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Das kann doch nicht wahr sein!? Bla, bla, bla, bla, bla. Kann der nicht einfach nur sein Bier trinken und weiterfahren? Jetzt bestellt der auch noch etwas zum Essen. Bla, bla, bla. Halt doch bitte mal den Mund. BITTE!
Als das Essen kommt, wird der Wirt noch einmal deutlich. Wenn er beim Essen auch nur einen Mucks von sich gibt, dann nimmt er ihm den Teller sofort weg und er fliegt raus. Alter Schwede! Es ist so skurril und unangenehm, aber auch irgendwie witzig. Es klappt. Jetzt hält er den Mund. Okay, er hat ihn auch voll. Das wäre jetzt das Highlight schlechthin. Wenn er nun auch noch quatschen würde. Mit Essensfetzen, die wieder auf den Teller zurückfallen. Der perfekte Stoff für einen Horrorroman. Beschrei es nicht. Genieße den kurzen Augenblick der Stille. Denn kaum ist der Teller leer … was wohl? Da er gleich weiter möchte, endlich, erzählt er mir und dem Wirt dann noch, warum er heute hier ist. Ich kann das im Einzelnen zwar nicht mehr getreu wiedergeben, aber ich werde es einmal völlig überspitzt versuchen.
Also: Er wollte eigentlich zwei Dörfer weiter in sein Stammlokal. Da, wo die Rosi, die Wirtin, eine alte Schulkollegin am Kellnern ist. Dort, wo sein Kumpel Heinz sich einmal so besoffen hat, dass er mit einem Finger im Ohr neben das Klo gereihert hat. Und der Nachbar Klaus der Erna einen Steel-Dart in die linke Hupe geschmissen hat, weil er sie unbedingt einmal anstechen wollte. Dieses Lokal hat heute geschlossene Gesellschaft. Meine Ohren bluten.
Dann ist der Moment gekommen. Der Wirt und ich sind wieder alleine. Wir schauen uns an, und als wenn jemand das Startsignal gibt, sind wir jetzt die, die sich das Maul zerreißen. Ob es dem Herren fair gegenüber ist? Bestimmt nicht. Aber er ist weg und kann sich nicht mehr verteidigen. Zu unserer Verteidigung: Es hat sich in der letzten halben Stunde so viel aufgestaut, das muss raus. Letztendlich schaffen wir einen Abschluss unter diesem Thema. Nun liegt meine Reise im Fokus. Was darin gipfelt, dass man mir Tomaten und eine Dose Pfirsiche als Proviant mitgibt.
Von Neuhof schaffe ich es dann nur noch bis Breitungen. Es ist noch immer viel zu heiß. Lotte humpelt plötzlich. Ich rufe sie heran und betrachte ihre Pfote. Einen Fremdkörper kann ich nicht sehen. Wäre nicht der Erste auf dieser Reise. Hier ist es jedoch etwas anderes. Ich setze sie in ihre Box. Die finale Lösung ist es aber nicht. Warum muss das heute so verdammt heiß sein? Lotte winselt hinter mir. Ich schicke sie in die Werra, die wir just auf diesem Abschnitt wieder neben uns haben. Es hilft nicht. Sie humpelt weiterhin. Ich entdecke ein Wirtshaus mit Übernachtungsmöglichkeit. Ich setzte mich zu einem Radreisenden. Nils, sei heute einfach mal spontan los und wollte eigentlich auf den nahegelegenen Campingplatz. Als er die Menschenmassen gesehen hat, hat er sich jedoch für das Zimmer im Wirtshaus entschieden. Ist auch die bessere Wahl. Unwetter sind für heute Abend und Morgen angekündigt. In weiter Ferne kann man es auch schon grummeln hören. Später kommen wir noch mit weiteren Gästen in Kontakt und auf diesem Weg nimmt der Abend ein gesprächsreiches, harmonisches Ende.
Laufstrecke: 13,14 km
Höhenmeter: 61 m
Zeit: 2:32 h
D.-geschw.: 5,16 km/h
Schritte: 17403
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