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Langweilig!

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11.08.2020

Autos brummen an meinem Zelt vorbei. Fahrräder klappern. Ich höre schnelle Schritte, die auf Jogger schließen lassen. Ich blinzel auf mein Telefon. So früh noch? Eine halbe Stunde länger dösen geht sicher. Oder? Ach, steh auf. Vielleicht schaffe ich es heute bis an den alten König-Ludwig-Kanal. Wie weit das noch ist? Auf alle Fälle noch über zwanzig Kilometer. Ja, los! Hintern hoch! Irgendwie fühlt sich alles wieder so an, als ich von Bad Königshofen bis Bamberg gelaufen bin. Damals die eintönige Bundesstraße, nun die schier grade Wasserstraße. Und auch wenn ich nun das Wasser neben mir habe. Die Motivation will nicht so wirklich. Das war schon mal besser. Lotte juckt das nicht. Die liegt angeleint auf freier Fläche in der Sonne und blinzelt in die Gegend.

Knappe fünf Kilometer später mache ich in Atzenhof das erste Mal Pause. Vor einem Gartencenter wird das integrierte Café beworben. Oh, ein schönes krosses Brötchen wäre ja schon toll. So schlender ich wenig später mit Lotte durch die Blumen und Pflanzenkübel Richtung Essensausgabe. Ansonsten ist bis dahin rein gar nichts passiert. In Burgfarrnbach sitze ich wieder auf meinem Hintern. Dieses Mal auf dem Parkplatz zweier Supermärkte. Im Schatten von einem Busch beobachte ich das hektische Treiben meiner Mitmenschen. Lächeln tut keiner. Alle laufen sie mit versteinerten Minen vom Auto zum Einkaufen und mit vollen Einkaufswagen zurück. Es redet auch kaum einer. Es wirkt ein wenig befremdlich. Als ich dann weiter ziehen möchte, blicke ich auf meine zwei geleerten Pfandflaschen. Ich bin nun keiner, der den Taler nicht ehrt. Aber in diesem Moment für die sechzehn Cent noch einmal komplett durch den Markt laufen? Ich stecke einer älteren Dame die Flaschen zu und mache mich von dannen.

Irgendwie vermisse ich Wald und Wege. Hier so am Kanal mit den Silhouetten von Fürth und Nürnberg am Horizont, das reizt mich mal so gar nicht. Ich fühle mich an Hannover zurück erinnert. Mit dem Unterschied, dass hier heute nicht solche Menschenmassen unterwegs sind. Das Fazit ist aber das Gleiche. Ich finde es langweilig hier. Der Kopf ist längst wieder im Tunnel. Meter machen. Hin und wieder etwas Wasser vom Kanal holen und selbst etwas abkühlen. Lotte schwimmen schicken. Meter machen. Ein Gedanke lässt mein Gemüt aufhellen. Ich werde morgen am alten Kanal, der einen direkt nach Neumarkt führt, laufen. Dann habe ich all das wieder, was ich jetzt so schmerzlich vermisse. Bäume. Büsche. Tiere. Weit weg von den Beton- und Glasklötzen, die hier das Bild bestimmen.

Bild 1: Dieses Mal ist recht viel Verkehr auf dem Kanal – Bild 2: Kanadagänse ziehen ihre Bahnen – Bild 3 & 4: Stadtgebiet Fürth/Nürnberg

Bei einer weiteren kurzen Pause komme ich mit einem Radfahrer ins Gespräch. Woher ich bin. Wohin ich gehe. Mittlerweile Standardprogramm. Ein, zwei Anekdoten des bisher erlebten erzählt. Dann beginnt er mir, den Weg nach Neumarkt zu erklären. Vielmehr gibt er mir Tipps. Ich nicke und führe seine Beschreibungen fort. Er lächelt und merkt an, dass seine Hilfe diesbezüglich nicht gebraucht wird, da ich »ein Profi« sei. – Nein. Das auf gar keinen Fall. Ich bin hier nur schon zwei Mal mit dem Fahrrad durchgekommen. Da bleibt vom Weg auch mal etwas hängen. Auf die Frage, was er den Tag noch so anstellen möchte, antwortet er, dass er noch schwimmen gehen und ein kühles Bier trinken wollen würde. Das ist doch mal ein Plan. So trennen wir uns.

Am Stadtautobahnkreuz Nürnberger Hafen öffnet der Himmel dann plötzlich seine Tore. Es gießt aus Kübeln. Zum Glück bin ich gerade unter der Brücke gewesen. Naja, fast. Ich war schon drunter durch. Als mich aber die ersten dicken Tropfen treffen, drehe ich postwendend wieder um und eile die wenigen Meter zurück. Neben mir bleiben auch noch andere Menschen hier stehen, setzten sich auf die Treppe, die zur Brücke hinauf führt, und harren aus. Zwei Jungs stellen sich dabei so ungünstig hin, dass nachfolgende große Schlenker machen müssen. Eigentlich müsste man die mal anmaulen. Die zwei Jungs. Frei nach dem Motto: Hier stehe ich, hier bleibe ich, haben sie ihre Fahrräder mitten in den Weg gestellt. Hier sind nun an die fünf erwachsene Menschen. Die Räder einfach in den Kanal schieben. Wenn die Bengel frech werden, hinterher schmeißen. Mich regt dieser Egoismus in diesem Moment so unfassbar auf. Aber alleine den Lauten machen, da habe ich auch keine Lust drauf. Ob ich der Einzige bin, der hier gerade so denkt? Vielleicht? Vielleicht auch nicht? Aber will man jetzt alle Anwesenden fragen und sich gemeinsam aufplustern und die Jungs zurechtweisen? Nein. Feigling!

Endlich hört es auf zu regnen. Ich schnappe mir Lotte und ziehe weiter zur Nürnberger Kanalschleuse. Hier wechsel ich die Uferseite. Ich muss auf das Nordufer, weil ich nur so den alten Kanal erreiche. Vorbei geht mein Weg an der Feuerwache vier, wo just in dem Moment wieder Einsatzfahrzeuge ausrücken. Ich passiere den Hafen für Personenschifffahrt. Nun ist der alte Kanal zum Greifen nahe. Aber zuerst noch einmal eine Pause. Ein Imbiss taucht auf der linken Seite auf. »Uschi’s Treff«. Na, dann sagen wir der Uschi doch einmal hallo. Schon als ich die Schräge hinauf gelaufen komme, werde ich neugierig beobachtet. Den Wagen abgestellt, das Portemonnaie aus der Gürteltasche gekramt und ein kühles Getränk bestellt. Kaum sitze ich, brechen viele Fragen auf mich herein. Auf meine Gegenfrage nach einem Schlafplatz bekomme ich die Antwort, dass ich doch hier im Partybungalow mein Nachtlager aufschlagen könnte. Das ist ja eine Spitzenidee. Ja, Moment! Ich muss doch die Imbissbetreiberin noch fragen. Toll. Die Gäste entscheiden hier, wo ein anderer Gast schlafen darf. So lerne ich Bernd und seinen Freundeskreis kennen. Schnell noch nach der Schlafmöglichkeit bei der richtigen Person gefragt und dann steht einem gemütlichen Abend nichts mehr im Weg.

Als ich dann später alleine bin, hole ich mir drei Bierzeltbänke und stelle sie als Unterlage zusammen. Plane und Luftmatratze drauf und das Bett steht. Ganz einfach. Kaum habe ich die Augen geschlossen, höre ich Stimmen. Lotte schlägt an. Zwei Herren auf akkubetriebenen Fortbewegungsmitteln erscheinen auf der Bildfläche. Keine Ahnung, was das für Dinger sind. Man stellt sich drauf und fährt los. So ein Gewichtsverlagerungsteil. Nach einer kurzen Unterredung kann ich dann schließlich ins Land der Träume abdriften.

Laufstrecke: 25,39 km
Höhenmeter: 42 m
Zeit: 4:36 h
D.-geschw.: 5,51 km/h
Schritte: 33736

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